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Medien: Im Radio: Sandkastenspiele

Richard Pietsch spricht Kurisch. Die Sprache der Kurischen Nehrung, jenes hundert Kilometer langen Sandhakens in der Ostsee, bekannt durch seine Wanderdünen und Thomas Manns Sommerhaus.

Richard Pietsch spricht Kurisch. Die Sprache der Kurischen Nehrung, jenes hundert Kilometer langen Sandhakens in der Ostsee, bekannt durch seine Wanderdünen und Thomas Manns Sommerhaus. Noch vor sechzig Jahren war die Nehrung eine Sprachinsel zwischen Litauen und Deutschland, in der eine eigene ostbaltische Sprache gesprochen wurde. Heute ist der 85-jährige Pietsch der Letzte, der sie noch kennt. Ein Greis, voller Träume, Mythen und Anekdoten. Alles fließt in seinem Kopf auf wunderbare Weise ineinander: Der Schneesturm über den Dünen anno 1925 und die geheimnisvollen Stimmen im Hörapparat, der einsam am Strand wandernde Thomas Mann und die Visionen der letzten Nacht vom paradiesischen Jenseits. Autor Jens Sparschuh hat Pietsch in seiner letzten Residenz, einem Heidelberger Seniorenstift, besucht. Er hat dem Alten ebenso bizarre wie lehrreiche Geschichten entlockt. "Der letzte Elch" heißt das schöne Feature. Ein Lehrstück über Heimaten, die immerzu versinken. Im Sand der Wanderdünen und in den Fluten der Zeit. Letzten Endes sind wir ja alle Heimatvertriebene. Schon früh verjagt aus den Paradiesen der Kindheit. Die Wurzeln der Herkunft gerodet vom stählernen Pflug des Fortschritts ( Radio Kultur, 29. Dezember, 9 Uhr 05, UKW 92,4 MHz ).

Unter alten Männern spielt auch Matthias Scheligas Hörspiel "Schnecks Heimweg". Genauer: in einem kirchlichen Wohnheim für ledige Männer. Vielleicht sind die Insassen auch gar nicht alt, und haben sich nur in ein Greisenleben geflüchtet. Wie sich nach und nach herausstellt, sind es heimatvertriebene Ex-Ossis, die in der geschlossenen Gesellschaft des kirchlichen Asyls ihr Leben mit Sandkastenspielen verbringen. Scheligas Text hat unlängst den Hörspielpreis des ORB gewonnen. Keine schlechte Wahl. Das Stück fesselt durch seine groteske Fantasie. Zuweilen glänzt eine Art theologischer Humor (Radio Kultur, 1. Januar, 22 Uhr).

Apropos Theologie. Der Philosoph Norbert Bolz ist berühmt geworden durch seine Attacken auf die priesterlichen Attitüden der linken Intelligenz in Deutschland. Der Denkende, so Bolz, habe keine letzten Wahrheiten zu verkünden, sondern das Spiel der Perspektiven und Schätzungen in der modernen Gesellschaft zu analysieren. Beim Südwestrundfunk referiert Bolz nun über "Die kultivierende Kraft des Geldes". Geld als zivilisierendes Medium betrachtet. Gegen alle wohlfeile Kritik des Mammonismus. Die ja öffentlich meist von Leuten vorgetragen wird, die damit ihr gutes Geld verdienen ( SWR 2, 30. Dezember, 8 Uhr 30, Kabel UKW 107,85 MHz ).

Radio Kultur[4 MHz], 29. Dezember[4 MHz], 9 Uhr 05[4 MHz], UKW 92[4 MHz]

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