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Medien: Im Radio

Willers, die jugendliche Hauptfigur im Hörspiel "Der Sonderbefehl", ist ein Skinhead. Willers zündet Asylantenheime an und macht Jagd auf Dunkelhäutige.

Willers, die jugendliche Hauptfigur im Hörspiel "Der Sonderbefehl", ist ein Skinhead. Willers zündet Asylantenheime an und macht Jagd auf Dunkelhäutige. Warum wird einer wie Willers zum menschlichen Tier? Das ist die Frage, die uns alle am meisten interessiert. Die bürgerliche Gesellschaft hat eine tiefe Sehnsucht, ihre gewälttätigen Außenseiter zu verstehen. Sie kausal interpretieren und idealerweise auch therapieren zu können. Mindestens ebenso tief ist die Sehnsucht, es möge alles nicht so schlimm sein mit dem Skinhead. Ein missbrauchtes Kind, ein von der Gesellschaft verratenes Individuum - das wären optimistische Prognosen, die eine Menge Heilungschancen versprächen.

Auch Stefan Heckmanns Hörspiel deutet seine Hauptfigur in der Kontinuität solcher Aufklärungshoffnungen. Willers, der es als Kind immer schwer hatte. Der Vater ein bornierter Schläger, die Mutter eine Trinkerin. Willers Jugend eine einzige Kette von Demütigungen. Spätestens seit Rousseau sind diese Art Unschuldsvermutungen gegenüber dem Verbrecher populär. Der Täter ist von Natur aus gut, aber die Verhältnisse sind verdorben. Damit die Rechnung aufgeht, muss allerdings hinter jedem guten Verbrecher ein böser Verbrecher auftauchen, dem - zumindest vorerst - jede weitere Ehrenrettung versagt wird. Im Hörspiel knackt eine Psychologin Willers Panzer und treibt seinen wirren inneren Monolog zur bitteren Klärung: es war der eigene Bruder, der ihn von Anfang an verraten hat. Für dessen Mord er nun im Gefängnis sitzt. Willers wählt nicht den Weg zurück ins Licht der Gesellschaft, sondern stürzt in die Dunkelheit des Todes. Barbara Plensat hat Heckmanns Hörspiel auf beeindruckende Weise inszeniert. Mit großartigen Schauspielern und einer dramatischen Musik, die die Spannung zwischen jugendlicher Hoffnung und hoffnungslosem Gewaltexzess erfahrbar macht. Vielleicht gibt es ja wirklich nicht anderes zu denken über einen wie Willers. Wenn man nicht eines Tages als trauriger Zoologe oder Mystiker des Bösen auf seine Mitmenschen blicken möchte (Radio Kultur, 2. November, 21 Uhr, UKW 92,4 MHz).

Die österreichische Dichterin Ilse Aichinger wird 80 Jahre alt. Das Kulturradio widmet ihr etliche Geburtstagssendungen. Nicht zuletzt, weil Aichinger als junge Frau Hörspiele geschrieben hat, die heute zu den Klassikern des Genres zählen. Wer poetische Rätsel mag, das labyrinthische Spiel mit den Worten, der kann sich in der kommenden Woche ausgiebig an Ilse Aichingers Radiokunst erfreuen (u.a. Deutschlandfunk, 30. Oktober, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

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