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Das Verlagshaus der "Frankfurter Rundschau" am Karl-Gerold-Platz. Vor zehn Jahren wurden noch gut 183 000 Hefte täglich verkauft.

© dapd

Insolvenz der "Frankfurter Rundschau": „Keine überzeugende Perspektive“

Aus für die „Frankfurter Rundschau“? Das Insolvenzverfahren wurde eingeleitet, die Gesellschafter sehen keine Zukunft. Unklar ist, was aus der Redaktionsgemeinschaft mit der "Berliner Zeitung" wird.

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Der „Frankfurter Rundschau“ (FR) droht die Pleite. Am Dienstagmorgen hat das Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main GmbH Insolvenz angemeldet, teilte der Mehrheitsgesellschafter, die Kölner die Mediengruppe DuMont Schauberg, (MDS) mit. Als vorläufiger Insolvenzverwalter sei Rechtsanwalt Frank Schmitt eingesetzt worden. „Wesentliches Ziel ist derzeit, den Geschäftsbetrieb fortzuführen“, heißt es in der Mitteilung. Löhne und Gehälter seien bis Ende Januar 2013 über das Insolvenzgeld abgesichert.

Die Hauptgesellschafter, MDS und die SPD-Medienholding DDVG, erklärten gemeinsam, zwar sei es gelungen, ehrgeizige Kostenziele zu erreichen und dabei gleichzeitig die redaktionelle Qualität der Frankfurter Rundschau erheblich zu steigern. „Wir müssen heute aber feststellen, dass all diese Anstrengungen angesichts der Umsatzeinbrüche im Anzeigen- und Druckmarkt der vergangenen Jahre und in der ersten Hälfte dieses Jahres nicht ausreichen, um die fortdauernden hohen Verluste zu beseitigen.“ Die fortgesetzte Finanzierung des Defizits ist für beide Gesellschafter nicht möglich. Es sei intensiv untersucht worden, wie das Unternehmen oder Teile des Unternehmens weiterarbeiten könnten. „Diese Überlegungen haben leider keine überzeugende Perspektive geliefert. Das eingeleitete Insolvenzverfahren bei der Frankfurter Rundschau, fraglos eine der signifikantesten deutschen Tageszeitungen, ist äußerst bitter für die Mitarbeiter, die Leser und die Gesellschafter.“

Die „Frankfurter Rundschau“ ist trotz zahlreicher Sparrunden seit Jahren defizitär. Von ehemals 1700 beschäftigt der Verlag noch knapp 500 Mitarbeiter. Die Auflage sinkt: Im dritten Quartal 2012 verkaufte das Blatt durchschnittlich knapp 118 000 Exemplare pro Tag. Vor zehn Jahren waren es noch gut 183 000. Hat der Verlust 2010 19 Millionen Euro betragen, so wird er in diesem Jahr mit 16 Millionen Euro erwartet. Die Gesellschafter hatten sich Anfang 2012 via Patronatserklärung darauf verständigt, der „FR“ bis 2015 weitere 25 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Dadurch aber, dass in die Verluste mit dem zweiten Quartal 2012 quasi zu „galoppieren“ begannen, wäre der Topf schon Mitte 2013 leer. „Es gab einfach keine positive Prognose“, sagte MDS-Sprecher Wolfgang Brüser dem Tagesspiegel. Die Kölner Mediengruppe hat bis dato mehr als 130 Millionen Euro in das Frankfurter Verlagshaus investiert.

Die Geschichte der Zeitung in den vergangenen zehn Jahren ist eine Chronologie von Hoffnung und enttäuschter Hoffnung. Im Jahr 2004 hatte die SPD-Medienholding DDVG 90 Prozent der Anteile am „Druck- und Verlagshaus Frankfurt a. Main GmbH“ übernommen und damit die Pleite abgewendet. 2006 stieg das Kölner Medienhaus M. DuMont Schauberg (MDS) ein und übernahm mit 50 Prozent plus einer Stimme die Mehrheit. Die übrigen Anteile hält die Karl-Gerold-Stiftung, die angeblich über die jüngsten Entwicklungen, die Insolvenzpläne, sehr spät informiert wurde, davon auch erst am Dienstag erfahren haben soll. Die Sache wurde in Hamburg (DDVG) und in Köln entschieden, im MDS-Aufsichtsrat unter Vorsitz von Alfred Neven Dumont.

MDS stellte die „FR“ 2007 auf das Tabloid-Format um, kurzfristig konnte die Auflage bei 150 000 Exemplaren stabilisiert werden. Trotzdem wurden weiter Verluste gemacht. Zum DuMont-Konzern gehört auch der Berliner Verlag, der unter anderem die „Berliner Zeitung“ und den „Berliner Kurier“ herausgibt. Die „Frankfurter Rundschau“ wurde im April 2010 Teil der DuMont-Redaktionsgemeinschaft, der auch die „Berliner Zeitung“, der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und die „Mitteldeutsche Zeitung“ angehören. Zur Kernfrage, ob die „FR“ doch noch gerettet werden kann, kommen zwei weitere. Was wird aus der Redaktionsgemeinschaft, wer könnte von der „FR“-Einstellung profitieren. Manche sagen, wenn eine Zeitung stirbt, „stirbt“ mit ihr auch die Leserschaft. Andererseits, in Frankfurt am Main könnte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (verkaufte Auflage: rund 355 000) aus dem Ende der ehemals linksliberalen „FR“ Nutzen ziehen. Schon in den vergangenen Jahren sind etliche ehemalige „FR“-Abonnenten zur „FAZ“ gewechselt, die sich nach der Umstellung auf das kleinere, buntere Tabloid-Format über die Uneindeutigkeit des Blattes beschwert haben.

Alfred Neven

© picture alliance / dpa

Ist das jetzt eher Boulevard? Oder doch noch eine seriöse Zeitung? Vor allem der intellektuellen Leserschaft dürfte diese neue „FR“ zu wenig gewesen sein. Ganz zu schweigen von ferneren Regionen. Zuletzt hat es eine Umfrage unter „FR“-Lesern in Norddeutschland gegeben, ob die Zeitung nur noch online erscheinen sollte. Auch dieses Ansinnen ist nun mit dem Insolvenzantrag Makulatur. Die zu geringe regionale Verankerung konnte den überregionalen Anspruch nicht finanzieren. Die Stimmung im Haus am Karl-Gerold-Platz ist dementsprechend. Aus der Redaktion der „Rundschau“ ist zu hören, dass man in den letzten Wochen und Monaten schon damit gerechnet hat, dass die „Rundschau“ nächstes Jahr „den Bach runtergeht“.

„Die Stimmung bei uns geht von Trauer bis Wut. Für manche ist es aber auch eine Erlösung, weil man jetzt weiß, was ist“, sagte der Betriebsratsvorsitzende der „Frankfurter Rundschau“, Marcel Bathis, am Dienstag nach dem Insolvenzantrag des Verlags. Das drohende Aus der Tageszeitung habe die Mitarbeiter des Verlags nicht überrascht. Allerdings sei eine Insolvenz bislang vonseiten der Eigentümer stets verneint worden, sagte Bathis. Er habe eher mit dem Verkauf oder einer Abwicklung gerechnet. Nach dem kurzfristig anberaumten Treffen am Nachmittag verließen die Mitarbeiter das Verlagshaus kommentarlos.

Die „Frankfurter Rundschau“ hat sich in ihrer langen Geschichte ein linksliberales Profil erarbeitet. Gegründet wurde sie am 1. August 1945 auf Veranlassung der amerikanischen Besatzungsbehörde mit dem Ziel, eine freiheitlich wie demokratisch gesinnte Zeitung zu etablieren. Zur prägenden Figur wurde Karl Gerold, der ab 1946 zu den Herausgebern gehörte. Unter seiner Führung erlangte die „FR“ überregionale Bedeutung in der Bundesrepublik.

„Soziale Gerechtigkeit, friedliches Miteinander, Eintreten für die Belange derer, die keine Stimme in der Öffentlichkeit haben“, führte Chefredakteur Festerling im Juni als die Werte an, an denen sich die „FR“ seit ihrer Gründung orientiert. Auch seitdem der Mantel von der Redaktionsgemeinschaft produziert wird, gilt die Zeitung inhaltlich wie politisch als Gegenstück zur bürgerlichen „FAZ“.

Karl Gerold hob 1955 die Rolle „seiner“ Zeitung hervor: "Sollte einmal die Geschichte der Frankfurter Rundschau geschrieben werden, so kann sie unter dem Motto stehen: Es war von Anbeginn ein unablässiges Bemühen um Unabhängigkeit in einer Zeit, in der Parteien aller Art versuchten, öffentlich Einfluss zu pachten." Nun könnte das renommierte Blatt tatsächlich bald Geschichte sein.

In Berlin informierte MDS-Vorstand Franz Sommerfeld am Nachmittag die Mitarbeiter des Berliner Verlages und der DuMont-Redaktionsgemeinschaft über die Entwicklung in Frankfurt. Unmittelbare Auswirkungen sind denkbar vor allem für die Redaktionsgemeinschaft, die mit knapp 30 Mitarbeitern vor allem die bundespolitische Berichterstattung sichert, außer für die FR auch für die „Berliner Zeitung“, den „Kölner Stadtanzeiger“ sowie für die in Halle erscheinende „Mitteldeutsche Zeitung“. Die Redaktionsgemeinschaft wird bisher von der FR zu 40 Prozent finanziert. Teilnehmern zufolge sagte Sommerfeld in der Versammlung, die Gründung der Redaktionsgemeinschaft habe sich gelohnt, es gebe das Interesse, sie zu erhalten. „Wir erwarten, dass diese Zusage eingehalten wird“, sagte der Betriebsratsvorsitzende der Redaktionsgemeinschaft, Tim Szent-Ivanyi, dem Tagesspiegel.

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