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Medien: Internet-Blogs als neue Macht im US-Wahlkampf

So hatten sich die Werbestrategen von George W. Bush das nicht gedacht.

So hatten sich die Werbestrategen von George W. Bush das nicht gedacht. Der Fernsehspot, den sie vergangene Woche in Washington vorstellten, sollte der Kampagne des Präsidenten den letzten Schwung vor dem Wahltag geben. Stattdessen ernteten Bush und seine Unterstützer Spott. Grund: Um eine Massenszene mit Soldaten besser aussehen zu lassen, vervielfachten Bushs Wahlkampfhelfer kurzerhand die Gesichter mehrerer Armeeangehöriger am Computer. Am Freitag berichtete die „Washington Post“ samt Beweisfoto über den Täuschungsversuch, und Bushs Team war blamiert.

Dass diese technisch geschickt gemachte Manipulation überhaupt aufflog, lag an einem so genannten Blog, einem Internet-Notizbuch (englisch Weblog, abgekürzt: Blog) namens Daily Kos, dessen Betreiber sich die kritische Beobachtung der US-Politik zur Aufgabe gemacht haben. Erst als Daily Kos (www.dailykos.com) den Schwindel enthüllte, nahm sich die „Washington Post“ der Sache an.

Das Internet und vor allem die meist privat betriebenen Blogs, die schnellen, meinungsfreudigen, extrem subjektiven und unkontrollierbaren Tagebuch-Magazine, haben im US-Wahlkampf eine Bedeutung erlangt, die Washingtons Polit-Routiniers überrascht hat. Blogs wie www.talkingpointsmemo.com haben monatlich Hunderttausende Leser. Vor allem aber werden sie von Journalisten gelesen, die ihre Enthüllungen aufgreifen. „Blogs lenken die Aufmerksamkeit auf Aspekte, die den klassischen Medien entgangen sind“, sagt Bob Benenson, Politikchef der renommierten Parlamentszeitschrift „Congressional Quarterly“. So hat ein Bericht über ein von Republikanern verteiltes schwulenfeindliches Flugblatt erstmals im Blog des kritischen Polit-Kommentators Steve Clemons gestanden, bevor sich andere Medien des Themas annahmen.

Eine weitere Geschichte, die vergangene Woche ebenfalls in Clemons’ Blog (www.thewashingtonnote.com) zu lesen war, hat im Internet jetzt eine hitzige Debatte über die Kriegseinsätze ausgelöst. Clemons hatte die grauenhaften Afghanistan-Erlebnisse eines Soldaten wiedergegeben, der letzte Woche zufällig neben ihm im Flugzeug nach Washington saß. Die Schilderungen lassen US-Armee und Regierung nicht gut aussehen. Nachdem Clemens seinen Bericht veröffentlicht hatte, erhielt er Hunderte von Leserreaktionen, CNN erbat ein Interview mit ihm.

Sollten noch mehr Geschichten wie diese vor Dienstag ihren Weg von den Blogs in die renommierten Massenmedien schaffen, könnte das die Wahl durchaus beeinflussen, meint Politologe Oros: „Der Wahlausgang wird so knapp – da kann jede Geschichte Auswirkungen haben.“

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