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Internet: Drin oder out

Wer kriegt die Online-Jugend? Zum Streit zwischen ARD/ZDF und Verlegern.

Das Internet rettet die Medienwelt. Weil aber die Plätze im Rettungsboot limitiert zu sein scheinen, toben zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und den Printverlagen die Verteilungskämpfe. Die Lage ist durchaus ernst. ARD und ZDF erleben beim Publikum einen Generationenabriss: So sicher ihnen die Zuschauer 50 plus sind, so sehr sind ihnen die Jüngeren und Jungen abhanden gekommen. Zwar trifft diese Abwanderung vom Fernseh- hin zum Online-Medium auch die privaten Sender, jedoch längst nicht in diesem Ausmaß.

Entsprechend wollen ARD und ZDF reagieren. Kommt der junge Zuschauer nicht zum Fernsehen, dann kommt das Fernsehen zur Generation Online. Mediatheken, die den Nutzer nicht länger auf einen bestimmten Einschaltpunkt festlegen, sind eine Maßnahme, andere sind Plattformen wie tagesschau.de oder zdf.de. Und schon treffen sich die Onliner von ARD und ZDF im Netz mit den Onlinern der Verlage; die Printhäuser erreichen insbesondere bei den Menschen unter 30 mit ihren Zeitungen und Zeitschriften immer weniger Absatz und Aufmerksamkeit. Online soll – auch bei den Werbeeinnahmen – mindestens das wettmachen, was offline verloren geht.

ARD und ZDF haben den großen Vorteil, dass ihre Online-Auftritte über die Rundfunkgebühren längst bezahlt sind. Sie können ihr Publikum finden, ohne dass sie das Risiko des Marktes suchen müssen. Zwischen dem öffentlich-rechtlichen Gebührensystem und den privatwirtschaftlich organisierten Verlagen stehen die Medienpolitiker der Bundesländer. Mit der Aufgabe, den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu formulieren und beschließen, sind sie von beiden Seiten unter Druck geraten. In dem Entwurf steht der Satz, der den Sendern „textbasierte Angebote“ oder „Lesemedien“ nur „sendungsbezogen“ erlaubt. Durchaus im Sinne der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger heißt es in Klammern: „Eine elektronische Presse findet nicht statt.“

ZDF-Intendant Markus Schächter ruft „Zensur“, der ARD-Vorsitzende Fritz Raff sieht die Sender ins „elektronische Mittelalter“ verbannt. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger weist dagegen auf einen anderen Passus im Vertragsentwurf hin, der den Online-Auftrag von ARD & Co. sogar erweitere, indem er sendungsunabhängige Videos und Audiobeiträge gestatte. Die Position der aufgerufenen Medienpolitiker vor den Beratungen im Juni ist nicht eindeutig zu lokalisieren. Während Ministerpräsidenten der Union wie Günther Oettinger (Baden-Württemberg) und der Bayer Günther Beckstein der Verleger-Seite zuneigen, hat Kurt Beck, der SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, die öffentlich-rechtliche Klientel beruhigt, die im Vertragsentwurf formulierte Begrenzung der Online-Aktivitäten von ARD und ZDF gelte nicht mehr. Das war ein Statement und nicht der Endstand: Über den Vertrag beraten und beschließen 16 Länderchefs.

Die Interessensgruppen suchen verstärkt die Öffentlichkeit, um für die jeweilige Position zu werben. Am Mittwoch war die ARD dran. Deren Vorsitzender, SR-Intendant Fritz Raff, hat „Alarmstufe eins“ aktiviert. Er appellierte an die Bundesländer, „die Chancen zu realisieren, die ein leistungsfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk für die publizistische und kulturelle Vielfalt in Deutschland hat“. Der Auftrag der Sender dürfe in der digitalen Medienwelt nicht auf Hörfunk und Fernsehen beschränkt werden. Bei ARD und ZDF denke niemand daran, durch das Engagement im Online-Bereich Einnahmen zu generieren. „Wir werden und wollen keine elektronische Tageszeitung produzieren“, sagte Raff, „ aber die elektronischen Tageszeitungen sollen sich dem publizistischen Wettbewerb mit unseren Angeboten stellen. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Schutz vor publizistischer Konkurrenz. Vielfalt entsteht nicht dadurch, dass man Verbote ausspricht.“ Meinungsfreiheit oder Meinungs-Sozialismus, das ist die argumentative Linie.

Schon ist die ARD wieder bei der verlorenen Jugend. Auf Anregung der ARD-Gremienvorsitzenden wollen die Intendanten jetzt „eine Gesamtstrategie zur Jugendansprache“ entwickeln. ARD-Programmdirektor Günter Struve hätte einen Aktionsplan mit Sofortrendite. Mit „mehr Sport und weniger Politik“ würde er dem Ersten zutrauen, den Marktanteil beim jungen Publikum binnen eines Jahres um ein Prozent zu erhöhen (März-Marge bei den 14- bis 29-Jährigen: 4,4 Prozent, Gesamtpublikum: 12,5 Prozent). Aber diese Maßnahmen „würden unsere Seele kosten“, sagte Struve. Was bereits Reputation gekostet hat, das will das Erste nicht fortsetzen – die „eher amateurhaften“ Formate am Vorabend. Armer „Bruce“.

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