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Internet: Schiffe versenken

Sie sahen sich als Freibeuter des Internets. Nun verkauft sich die weltbekannte Tauschbörse „Pirate Bay“ selbst zum Schnäppchenpreis.

Ein Jahr Gefängnis. Dieses Urteil erhielten die vier Betreiber der umstrittenen und weltweit bekannten Internettauschbörse „The Pirate Bay“ am 17. April. „Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen, wir gehen in Berufung und machen natürlich weiter“, ließen die Betreiber ihre weltweit mehrere Millionen Nutzer wissen. Nun soll die Internetplattform, die massenhaft auf illegale Kopien von Musik, Filmen und Software im Internet verweist – ohne dass die Raubkopien selbst auf den Servern liegen –, in ihrer jetzigen Form aufhören zu existieren. „Pirate Bay“ wird in Zukunft dem börsennotierten Softwareunternehmen Global Gaming Factory (GGF) angehören.

Die Seite soll legal und mit Gebühren für urheberrechtlich geschütztes Material weiterbetrieben werden, so ein Unternehmenssprecher von GGF. Branchenkenner glauben, dass GGF die Chance nutzen wollte, „Pirate Bay“ jetzt zu erwerben – wo der Ausgang der Berufung noch völlig ungewiss ist. Der Kaufpreis von 60 Millionen schwedischen Kronen (5,5 Millionen Euro) gilt jedenfalls als Schnäppchen. Auch die „Pirate Bay“-Betreiber gaben das am Dienstag zu, wollten aber nicht vom Ende ihrer Seite sprechen. „Die Seite braucht Erneuerung. ,Pirate Bay‘ sieht heute genauso aus wie vor drei Jahren, es gab für uns keine Möglichkeit, sie zu entwickeln“, sagte Peter Sunde, einer der verurteilten Betreiber. Das Ganze sei außer Kontrolle geraten. „Es ist lächerlich, wenn 40 bis 50 Prozent des Internetverkehrs in der Welt von ein paar Leuten betreut wird, die das als Hobby betreiben, und die dann zu extrem hohen Bußgeldern verurteilt werden, die wir absolut nicht bezahlen können“, so Peter Sunde. Geld brauchen die „Pirate Bay“-Betreiber wirklich, falls sie bei der Berufung keinen Erfolg haben sollten. Die eine Hälfte der Kaufsumme soll in GGF-Aktien, die andere in bar ausbezahlt werden. Das entspricht der vom Gericht auferlegten Bußgeldsumme. Das sei aber nur Zufall. Die Bußgelder könnten die „Pirate Bay“-Betreiber auf keinen Fall bezahlen, auch nach dem Verkauf nicht. Die Übernahme soll im August abgeschlossen werden.

Laut Sunde hat GGF versprochen, dass Dateien weiterhin gratis ausgetauscht werden können. Das ist das Kernstück der Geschäftsidee von „Pirate Bay“. Wenig spricht aber dafür, dass „Pirate Bay“ in der Form wirklich weiter existiert. GGF betonte, dass man sich an Urheberrechtsgesetze halten werde. „,Pirate Bay‘ ist eine unerhört starke globale Warenmarke. Sie haben enorm viele Nutzer. Wir kaufen sie, weil wir eine ganz neue Datenaustauschtechnik haben, die unterschiedliche Probleme im Internet beheben kann. Dazu brauchen wir eine führende Plattform“, sagt Hans Pandeya, Chef von GGF. „Pirate Bay“ sei sowieso eine illegale Angelegenheit gewesen. „Wir sind ein gewöhnliches Unternehmen und müssen den Gesetzen folgen.“

Die Nutzer reagierten kritisch auf den Verkauf: „Erinnert ihr euch an Napster?“, fragte ein „Pirate Bay“-Anwender. Die Musiktauschbörse Napster galt in den 90er Jahren als Symbol für ein „freies“, kostenloses Herunterladen von urheberrechtlich geschütztem Material. Sie wurde wie „Pirate Bay“ von der Industrie bekämpft – und am Ende per Übernahme in einen legalen Online-Musikdienst umgewandelt, der nicht mehr die Reichweite erzielte wie das alte Napster. Was nun auch für „Pirate Bay“ erwartet wird.

André Anwar[Stockholm]

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