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Alfred Biolek wird 75

© ddp

Interview: „Fernsehen? Eine einzige Katastrophe“

Alfred Biolek wird heute 75. Ein Gespräch über die Arbeit fürs TV, Niederlagen, „Mh“ und „Mmmh“

Am 10. Juli 1934 in Freistadt (heute Karviná/Tschechien) geboren. Jura-Studium, danach Arbeit in größeren Kanzleien. Im Februar 1963 wurde Biolek beim ZDF als Assessor im Justitiariat eingestellt. Erste Moderationen. Durchbruch mit der Produktion von Rudi Carrells „Am laufenden Band“ ab 1974. Talkshows: „Kölner Treff“ (1975), „Bios Bahnhof“ (1978), „Mensch Meier“, von 1991 bis 2003 „Boulevard Bio“, von 1994 bis 2006 die Kochshow „alfredissimo“. Produzent mit seiner Firma Pro GmbH.

Herr Biolek, vor zwei Jahren haben Sie sich vom Fernsehen verabschiedet. Langeweile?

Nein, ich habe immer noch einen vollen Terminkalender. Es ist auch ein ganz wichtiger Punkt in meinem Leben, dass keine Langeweile aufkommt – dass ich nicht rumsitze und nur noch Bücher lese, Musik höre und alleine bin, sondern dass ich viel mit anderen Menschen zu tun habe. Ich habe mein ganzes Leben im Team und in der Kommunikation gelebt – würde ich das von einem Tag auf den anderen verlieren, würde ich wahrscheinlich wahnsinnig werden.

Viele Menschen sagen, dass sie mit zunehmendem Alter gelassener werden.

Durchaus, obgleich ich sagen muss, dass ich schon immer eine gewisse Gelassenheit hatte. Deswegen ist der Unterschied zwischen früher und heute bei mir nicht so groß. Es ist ja so: Wenn Menschen älter werden, werden die einen frustrierter und unzugänglicher, sie werden krank und meckern; die anderen hingegen werden gelassener.

Gibt es etwas, wovor Sie Angst haben?

Angst habe ich überhaupt keine. Ich bedauere nur eben, dass sich die Gesellschaft so entwickelt hat, dass der Kommerz eine so starke Rolle spielt und die Verflachung immer stärker zunimmt – gerade in den Medien. Das Fernsehen ist inzwischen eine einzige Katastrophe.

Sehen Sie sich hin und wieder etwas an?

Ich sehe nicht mehr fern und würde heute, wenn ich jung wäre, nicht mehr zum Fernsehen gehen. Das ist eine Entwicklung, die ich sehr bedauere, zumal die Verflachung ja nicht nur in den Medien stattfindet, sondern beispielsweise auch beim Essen. Ein gewisser Teil der Gesellschaft isst immer noch sehr bewusst, kocht gut und geht in den Bio-Supermarkt, aber der Großteil isst Fast Food. Ich würde schon sagen, dass sich die Verflachung und Kommerzialisierung bei den Medien und beim Essen sehr parallel entwickelt haben. Ich finde zum Beispiel diese ganzen Reality-Formate ganz furchtbar. Es gibt im Fernsehen immer noch auch gute Sachen – auf Arte, 3sat, ARD und ZDF, allerdings oftmals erst spät in der Nacht.

Sie haben immer wieder Neues ausprobiert, nie Routine aufkommen lassen. War vielleicht gerade das Ihr Erfolgsgeheimnis?

Ich glaube schon, wobei ich das gar nicht so bewusst gemacht habe, sondern stark intuitiv. „Bios Bahnhof“ beispielsweise war ein voller Erfolg, aber nach fünf Jahren habe ich gemerkt, dass ich mich nicht mehr steigern konnte. Ich hatte alle großen Künstler in der Sendung und sah die Gefahr, mich zu wiederholen. Dann kam „Bei Bio“, wobei das eine Sendung war, mit der wir nicht ganz so glücklich waren, weil wir nur eine Stunde Sendezeit hatten. Wir hätten das öfter machen müssen. Aber im damaligen Programm gab es – abgesehen von Sportberichterstattung und den Nachrichten – keine wöchentlichen oder gar täglichen Sendungen. Man hat eine Sendung höchstens sechs oder acht Mal im Jahr gemacht.

Nach „Bei Bio“ ging es mit „Mensch Meier“ weiter.

Diese Spielesendung habe ich gemacht, weil ich gemerkt hatte, dass solche Formate zur damaligen Zeit im Kommen waren. In jeder Ausgabe waren vier, später dann drei Kandidaten zu Gast, die etwas Außergewöhnliches konnten oder zu erzählen hatten. In verschiedenen Spielrunden traten sie gegeneinander an. Ich mochte dieses Format sehr, habe aber auch hier nach sechs Jahren gemerkt, dass wir alle Spiele gespielt hatten. Also habe ich damit aufgehört. Kurz darauf habe ich in der Zeitung gelesen, dass die ARD eine wöchentliche Talkshow plant, und mich dafür beworben. „Boulevard Bio“ war das Ergebnis.

13 Jahre lang begeisterten Sie die Zuschauer mit Ihrer Kochsendung „alfredissimo!“. Wie erklären Sie sich den Erfolg?

Wenn man sich die anderen Kochshows ansieht und diese mit „alfredissimo!“ vergleicht, fällt auf, dass die anderen Kochshows überwiegend reine Kochshows sind. Bei mir wurde gekocht, bei mir wurde aber auch geredet, man lernte einen Gast kennen. Man sah, wie ich mit diesem Gast umging – nicht wie in einer Talkshow, sondern privat in der Küche.

Auch der Genuss spielte eine große Rolle. Stichwort „Küchenwein“.

Das stimmt, von wenigen Ausnahmen abgesehen wurde immer Wein getrunken. Und so würde ich eigentlich auch sagen, dass ich keine Kochshow gemacht habe, sondern eine Genussshow. Ich glaube, deshalb war der Erfolg so groß. Es kommt noch ein Punkt hinzu: Die meisten Köche in Kochshows sind Profiköche, während mein Gast und ich Amateure waren und der Zuschauer somit das Gefühl hatte: Wenn die das können, kann ich das auch.

Berühmt und oft parodiert wurde Ihr charakteristisches „Mmmh“, wenn Sie die Menüs Ihrer Studiogäste probierten. Es gab sicherlich immer mal wieder misslungene Gerichte, bei denen Ihnen dieses „Mmmh“ nicht so leicht über die Lippen kam, oder?

Das gab es natürlich, aber dann habe ich auch kein langes „Mmmmh“ gemacht, sondern einfach nur ein kurzes „Mh“ oder ein etwas stockendes: „Ui – das ist aber ganz gut geworden.“ Man konnte, wenn man mich kannte und aufmerksam hinhörte, schon genau erkennen, ob ein Gericht gelungen war oder nicht.

Wenn man auf Ihr Berufsleben zurückblickt, kann man von einer geglückten Karriere sprechen. Sind Sie dennoch einmal richtig gescheitert?

Natürlich gab es immer wieder kleine Niederlagen. Ich habe auch viele Fehler gemacht. Der Anfang von „Boulevard Bio“ war nicht so toll. Dann habe ich mit einem Kollegen von der Kunsthochschule für Medien in Köln gesprochen. Er hat mir Ratschläge gegeben, was man ändern könnte. So eine richtig große, schmerzhafte Niederlage habe ich nie erlebt, auch dafür bin ich sehr dankbar.

Sie leben abwechselnd in Köln und Berlin. Welche Stadt gefällt Ihnen besser?

Das kann ich nicht sagen. Ich trinke ja auch Weißwein und Rotwein und kann nicht sagen, welcher Wein mir besser schmeckt. Jede Stadt hat einen anderen Reiz. Man kann eine Stadt wie Köln mit einer knappen Million Einwohner nicht mit einer Weltstadt wie Berlin mit dreieinhalb Millionen Bewohnern vergleichen. Es sind zwei völlig verschiedene Städte, insofern führe ich in beiden auch völlig verschiedene Leben.

Haben Sie einen Lieblingsplatz in beiden Städten?

Ich habe in meinem ganzen Leben auf keinem Gebiet „Lieblinge“ gehabt: kein Lieblingsgericht, keinen Lieblingsgast, keine Lieblingsfarbe. In der „FAZ“ erschien früher ein Fragebogen von Marcel Proust, in dem nach dem Lieblingsautor, dem Lieblingskomponisten und solchen Dingen gefragt wurde – diesen Fragebogen konnte ich nicht ausfüllen.

Das Interview führte Christian Rohm

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