zum Hauptinhalt
Vor 40 Jahren ging „Am laufenden Band“ erstmals auf Sendung. 51 Mal präsentierte Rudi Carrell (links) die Show. Für die Neuauflage im NDR-Fernsehen am Montagabend ab 20 Uhr 15 hält Moderator Jörg Pilawa am bewährten Konzept fest.

© NDR/Uwe Ernst

Jörg Pilawa zur Neuauflage von "Am laufenden Band": „An die ganz neue Show glaube ich nicht“

„Am laufenden Band“: Jörg Pilawa spricht über die Wiederbelebung der legendären Rudi-Carrell-Show, TV-Moden und eigene Ansprüche.

Herr Pilawa, Sie gehen allen Ernstes mit Rudi Carrells gutem, altem „Am laufenden Band“ auf Sendung …
Gingen. Wir haben es aufgezeichnet. Live wird so was ja nicht mehr gemacht, schon weil man wesentlich mehr proben muss, um alles auf den Punkt zu bringen. Bei Rudi Carrell gab’s noch die Bremer Sechstagewoche: Da ging man Montag ins Studio und probte bis zur Sendung am Samstag praktisch durch. Jetzt haben wir für wesentlich größere Shows eineinhalb Tage. Live kann sich keiner mehr leisten.

Klingt da Bedauern durch?
Absolut! Live ist alles schöner. Das beginnt mit dem Publikum, das an dem Tag das gleiche Wetter und Weltgeschehen erlebt hat wie ich und die Zuschauer draußen. Man weiß, ob Hertha gewonnen hat und der HSV wieder verloren, was Merkel gerade macht und die Börse. Deshalb darf man beim Moderieren nicht zu sehr im Hier und Jetzt landen. Bei der Ausstrahlung, die manchmal Monate nach der Aufzeichnung erfolgt, kann das ja längst Geschichte sein.

Vor 40 Jahren ging „Am laufenden Band“ erstmals auf Sendung. 51 Mal präsentierte Rudi Carrell (links) die Show. Für die Neuauflage im NDR-Fernsehen am Montagabend ab 20 Uhr 15 hält Moderator Jörg Pilawa am bewährten Konzept (siehe Kasten) fest.
Vor 40 Jahren ging „Am laufenden Band“ erstmals auf Sendung. 51 Mal präsentierte Rudi Carrell (links) die Show. Für die Neuauflage im NDR-Fernsehen am Montagabend ab 20 Uhr 15 hält Moderator Jörg Pilawa am bewährten Konzept (siehe Kasten) fest.

© Radio Bremen, NDR

Und das schleift dann viele Kanten ab?
Ach, alle. Deshalb kritisiere ich auch, dass Fernsehen zu glatt wird, wenn man sich auf kein Risiko mehr einlässt. „Quiz-Duell“ war auch deshalb ein Erfolg, weil die Zuschauer witzig fanden, was live alles schiefging. So was gab es in den Shows von früher viel öfter.

Werden die deshalb gerade am laufenden Band wiederbelebt?
Das hat zwei andere Gründe: Mode. So wie Schlaghosen irgendwann wiederkommen, tun es auch Sendungen. Und Nostalgie. Bei vielen herrscht das Gefühl, früher sei alles besser gewesen. Das war es nicht, es war nur anders und bringt einen nun zum Schmunzeln, wenn man wie ich gern die alten Sachen sieht. Aber die Leute denken so und wollen entsprechend bedient werden. Ich habe mir vom ersten Gehalt 1985 eine Ente für 1200 Mark gekauft und hatte das Gefühl, frei zu sein. Vor einiger Zeit hatte ich Lust, dieses Gefühl zu erneuern, und habe mir wieder eine gekauft. Jetzt finden das alle toll und winken, aber keiner hätte Lust, damit übern Brenner zu fahren, mal abgesehen davon, dass der Wagen schon in den Kasseler Bergen verreckt.

Was beweist, dass Nostalgie wenig mit Logik zu tun hat.
Genau. Wenn wir heute Fernsehen so machen würden wie damals, würde niemand zugucken. Alles war unglaublich langsam und betulich, ohne Licht, Dramaturgie, Musik. Da sind die Sehgewohnheiten heute andere, Hightech ist Standard.

Das geht vielen Zuschauern aber längst schon wieder auf die Nerven.
Deshalb versuchen wir, im Rahmen moderner Anforderungen die Mitte zwischen einst und jetzt zu finden. Wenn ich als Neunjähriger ein Tablet mit Internet gehabt hätte oder die Chance, auf dem zweiten, dritten Apparat Dutzende Programme zu sehen – hätte ich dann mit meinen Eltern „Am laufenden Band“ geschaut? Wohl kaum! Nur wenn wir die Show von damals etwas schneller und bunter machen, kriege ich neben den damaligen Zuschauern auch ein paar Kinder und Enkel.

Die Show für acht bis 88 ist tot?
Definitiv. Schon die Veränderung der Familienstrukturen hin zum Ein-Personen-Haushalt führt dazu, dass abends selten zusammen ferngesehen wird. Daran wird „Am laufenden Band“ nichts ändern.

Ist die Idee zur Wiederbelebung zum Moderator gekommen oder der Moderator zur Idee?
Weil ich mich viel mit Fernsehgeschichte befasse, war mir bewusst, dass die Sendung 40 Jahre wird und Rudi Carrell doppelt so alt. Da habe ich die ARD gefragt, wie sie ein Revival fände. Alle waren begeistert, auch Carrells Tochter Annemike, jetzt hab ich’s gemacht.

Was Ihrem Ruf des Alles-Weg-Moderierers nicht gerade entgegenwirkt …
Tja, der Ruf … Wenn ich fürs Feuilleton Fernsehen machen würde, hätte ich vielleicht ein paar Grimmepreise, aber keine Zuschauer. Mir sind letztere lieber.

Aber gibt es nicht den Anspruch des Entertainers, mit einem Format mal beide Seiten zufriedenzustellen?
Nö, überhaupt nicht. Ich mache Programm fürs Publikum, und wer dafür alles nur so wegmoderiert, macht den Job nicht wie ich erfolgreich seit 25 Jahren. Was mir bei allem wichtig ist: Kann ich dazu stehen, was ich tue? Deshalb mache ich so gern Quizsendungen, weil die seit Urzeiten alles abdecken, was Zuschauer mögen. Dass mich die Kritik dafür nicht feiert, liegt weniger am Format als an der Tatsache, dass sie Shows und ihre Entertainer nie feiert.

Mit Ausnahme von Stefan Raab, der selbst von Intellektuellen gelobt wurde.
Und zwar völlig zu Recht. Ich bin Raabs größter Fan, er ist zurzeit der Ideengeber schlechthin. Aber er hat auch wie Joko & Klaas die Chance, Fernsehen für eine Kernzielgruppe von 14 bis 29 zu machen. Wir Öffentlich-Rechtlichen haben immer noch den Anspruch, alle von der Wiege bis zur Bahre zu versorgen. Dabei muss uns klar sein, dass man Erfolg schwer planen kann. Ein- und Ausschaltimpulse sind in der Regel Bauchentscheidungen für ein Medium, das zusehends nebenbei konsumiert wird – beim Chatten, Bügeln, Spielen. Daher versuchen wir, neue Reize zu setzen. Fernsehen ist da wie Schule: Zu meiner Zeit hat der Lehrer 45 Minuten geredet und gefragt; meine Kinder werden mittlerweile die ganze Zeit interaktiv entertaint. Dem müssen wir Rechnung tragen.

Braucht es dazu auch völlig neue Showideen?
Also, an die ganz neue Show glaube ich nicht, das ist alles schon irgendwann dagewesen. Was allerdings noch Potenzial bietet, ist die Vernetzung von digitalem und linearem Angebot, was wir jetzt noch mal mit dem „Quiz-Duell“ versuchen wollen. Mal gucken, wie das funktioniert.

Funktioniert im Sinne von guter Einschaltquote?
Auch. Ich sage nicht, alles nur für die Quote. Aber sie ist eben unsere Währung. Am nächsten Tag interessieren mich da die Kursschwankungen. Zumal sie mir die Möglichkeit geben, mich zu verbessern. Am Quotenverlauf kann man exakt ablesen, an welcher Stelle Zuschauer rausgegangen oder dazu gestoßen sind. Man muss die Quote halt qualitativ lesen, nicht bloß quantitativ.

Vorbehaltlich dieser qualitativen Evaluation – glauben Sie, dass „Am Laufenden Band“ die Chance hat, in Serie zu gehen?
Ganz sicher nicht im früheren Turnus alle sechs Wochen, höchstens ein-, zwei Mal im Jahr.

Und was kommt als Nächstes – Lou van Burgs „Der Goldene Schuss“?
Machen wir uns nicht lustig: Das war eine zukunftsweisende Show, die in den 60ern interaktiv Zuschauer eingebunden hat. Was definitiv noch mal ginge, sind Eurovisionssendungen deutschsprachiger Länder, aber eher als Event, nicht regelmäßig. Sechs-, siebenmal „Wetten, dass…?“ – die Zeiten sind vorbei.

Und das bedauern Sie auch nicht?
Überhaupt nicht. So ist das Leben.

Das Konzept

Die Show „Am laufenden Band“ mit Rudi Carrell als Moderator hatte im April 1974 Premiere. Bis Ende 1979 wurden 51 Folgen ausgestrahlt.

Das Konzept wird auch für die Neuauflage im NDR-Programm beibehalten. Generationsübergreifende Paare treten gegeneinander an, der Gewinner sitzt am Ende im Korbstuhl vor dem laufenden Produktband und muss sich möglichst viele Preise merken. Diesmal dabei: Oliver Pocher mit Vater Gerhard und Ben Becker mit Tochter Lilith sowie Désirée Nosbusch und Tochter Luka Kloser und Bettina Tietjen und Tochter Pia.

Die ARD hatte die Show bereits einmal mit Moderator Florian Silbereisen reaktiviert. Im Jahr 2006 erreichte die Neuauflage sechs Millionen Zuschauer.

Zur Startseite