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Medien: Kakophonie des Grauens

Eine großartige Katrin Bühring rettet den ZDF-Film der Woche

Früh ergraut ist der schnauzbärtige Mann, er trägt einen dunklen Lodenmantel, was vage auf einen Ort in Bayern verweist. Als er durch nasskalte Landschaft fährt, baumelt an seinem Autofenster ein Duftbaum. Diese kleine Geschmacklosigkeit in Form einer giftgrünen Tanne macht den Halter des Kraftfahrzeugs nicht unbedingt sympathischer. André Hennicke spielt diesen Alfred Wittmann, einen wortkargen Lehrer, der seit dem Tod seiner Tochter vor acht Jahren verbittert ist. Immer wieder zieht es ihn an den Unfallort zurück. Den verbliebenen Sohn Dieter (Frank Giering), einen psychisch labilen Postboten, würde er am liebsten nicht mehr aus dem Haus lassen. Auch die anderen Familien, in die Diethard Klantes düsterer Provinzthriller „Tod einer Freundin“ Einblick gewährt, sind in klaustrophobische Dramen verstrickt: Der Leiter des Altersheims, dem Siemen Rühaak die Aura eines sensiblen Schöngeists verleiht, betrügt seine Frau (Johanna Walser) mit der Krankenschwester Barbara.

Bei Familie Stadler, die immer stärker ins Zentrum rückt, hängt ebenfalls der Haussegen schief: Seit der Vater, ein Professor der Chirurgie mit Starallüren, Frau und Kinder verlassen hat, hängt die Mutter mit inzestuöser Innigkeit an Sohn Sebastian. Der gescheiterte Medizinstudent arbeitet als Physiotherapeut im Seniorenheim und schwärmt für Schwester Barbara. Bei einem seiner seltenen Gastauftritte demütigt ihn der Vater (Manfred Zapatka glänzt als Sarkast) wegen seiner „niedrigen“ Tätigkeit. Der Sohn quittiert den Angriff schweigend – kunstvoll lässt Devid Striesow die Figur des Sebastian zwischen Gutmütigkeit und auf Rache sinnender Kränkung changieren.

„Ein Thriller ist spannend, weil die Hauptperson in Lebensgefahr ist. Im besten Fall ermittelt sie auch, weil die Gefahr sie dazu zwingt“, gibt das ZDF als Definition des Genres aus. Die Hauptperson, die eben jenen „Tod einer Freundin“ aufklären muss, ist Sebastians Schwester Tina, die in Jena studiert. Bei ihren Besuchen in der Heimat frequentiert sie dieselbe Dorfdisco wie Tanja, die zu Anfang des Films ermordet wird. Die Ermittlungen übernimmt ein junger, etwas linkischer Kommissar. Er verliebt sich in Tina. Der verdächtige Briefträger wird verhaftet, doch die Frauenmorde gehen weiter, unterlegt von entsprechend dramatischer Musik: einer aufdringlichen, unfreiwillig komischen Kakophonie des Grauens, wie man sie leider so oft in ZDF-Krimis zu hören bekommt.

Regisseur Diethard Klante wollte einen Film drehen, „der aus der Spannung lebt – und bei dem die Angst, die Emotion im Zentrum steht“. Dass dieses Vorhaben halbwegs glückt, ist der Leistung Katrin Bührings zu verdanken, die die leicht verhuschte Tina spielt. Sie hat als Einzige den Blick von außen und kann am ehesten unheilvolle Zusammenhänge erkennen. Aber bis ihr das gelingt, ist es fast zu spät. Auf dem Weg zum fahlen Licht einer schrecklichen Erkenntnis fährt sie viel im Auto durch kahle Landschaft, stets von Nebelschwaden umhüllt. Öffentliche Verkehrsmittel kommen im Fernsehspiel so gut wie nicht mehr vor, die von dem Schriftsteller Wolfgang Hilbig gegeißelte „Autogesellschaft“ ist hier längst Realität. Aus den Fenstern der Autos wie der Reihenhäuser gucken in „Tod einer Freundin“ viele prominente Gesichter. Doch die Starmimen, die Klante für Kleinstrollen verpflichtet hat, wirken wie zu früh eingetroffene Weihnachtspakete: bestellt und noch nicht abgeholt.

„Tod einer Freundin“,

ZDF, 20 Uhr 15

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