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Moderation zwischen den Fronten. In Sandra Maischbergers letzter Talk-Sendung ging es um Wladimir Putin.

© dpa / Axel Heimken

Kolumne "Ich habe verstanden": Viel Unterhaltung, wenig Erkenntnis

Klasse, wenn sich Sandra Maischberger in der eigenen Sendung nicht langweilen will. Bloß gute Diskussionen darf das Publikum dann nicht erwarten.

Ich habe das Gefühl, dass immer dann, wenn ich mal kein Fernsehen schaue, unfassbare Dinge laufen. Das ist so ähnlich, wie mit Partys, auf die man nicht geht, und über die man dann hört, dass das unvergessliche Feste gewesen seien. Nun gehe ich ja sowieso niemals auf Partys, daher ist es mir egal, ob da eine gut oder schlecht war – aber weil ich relativ viel Fernsehen schaue, werde ich leicht sauer, wenn ich die Sensationen verpasse und das Mittelmaß gucke.

Am vergangenen Sonntag habe ich die Talkshow von Günther Jauch geschaut und für den Tagesspiegel dazu eine Kritik geschrieben. Das ist der Job, von daher will ich nicht jammern. Aber das war natürlich eine Stunde ungepflegte Langeweile – und am Mittwoch dann las ich Kritiken von Kollegen über die Talkshow von Sandra Maischberger am Dienstagabend, und alle waren sich einig, dass da der Teufel los war.

Was Maischberger zu Höchstform treibt

Es ging bei Maischberger um Wladimir Putin. Putin ist für Talkshows ein dankbares Thema, denn man kann Menschen einladen, die in Putin das reine Böse sehen, und die dann mit Menschen diskutieren lassen, die das komplett anders sehen, aber nicht so formulieren. Und da saßen dann unter anderem Arnulf Bahring und Gabriele Krone-Schmalz, und beide haben etwas an sich, was sich auf ihre Argumente nicht unbedingt unterstützend auswirkt, aber genau das ist es, was Sandra Maischberger regelmäßig zur Höchstform treibt.

Sie ist immer dann am besten, wenn man ihr anmerkt, dass sie alles dafür tut, um sich in ihrer eigenen Talkshow nicht zu langweilen – und das ist auch für den Fernsehzuschauer eine dankbare Strategie. Allein: Es führt nirgendwo hin, denn so wenig Krone-Schmalz und Bahring aufeinander zugingen, so wenig werden sich die Zuschauer von ihrer feststehenden Meinung abbringen lassen. Denn je leidenschaftlicher ein Thema im Fernsehen diskutiert wird, desto härter und undurchlässiger sind die Fronten. Das garantiert auf der einen Seite einen hohen Unterhaltungswert – und auf der anderen Seite einen niedrigen Erkenntnisgewinn.

WM im Winter - Gefahr für die deutsche Identität?

Ähnlich leidenschaftlich wird seit Dienstag eigentlich nur noch über die Fußball-WM 2022 in Katar diskutiert, die ja nun wohl im Dezember stattfinden wird, das Endspiel einen Tag vor Heilig Abend. Und wenn die „Bild“ im Moment nicht alle Seiten voll damit zu tun hätte, eine mehr als fragwürdige Anti-Griechenland-Kampagne übers Land zu kippen, dann müsste sie sich eigentlich diesem „Skandal“ annehmen, denn das geht ja eigentlich nicht: Ein WM-Turnier ohne Sonne, Sommer, Fanmeile, Biergärten, Grillen... Steht da nicht die deutsche Identität auf dem Spiel?

Winter ohne Fußball ist schlimmer als Sommer ohne Fußball – das jedenfalls sagt das Herz des Fußballfans. Der Fernsehkritiker aber weist vorsichtig daraufhin, dass das Fernsehprogramm im Sommer noch schlechter ist als ohnehin schon, und dass eine Fußball-WM da noch nie geschadet hat. Wir wäre also folgender Vorschlag: Die WM-Gruppenphase findet im Juni statt – die K.O.-Runden dann im Dezember. Würde ich mir beides anschauen. Und bis dahin bitte sieben Jahre lang einmal wöchentlich eine Talkshow zum Thema.

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