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Freizügig: Kommissar Thiel (Axel Prahl, Mitte) und Professor Boerne (Jan Josef Liefers) finden bei Thiels Vater (Claus D. Clausnitzer) eine gemeinsame Waschgelegenheit. Ansonsten gehen sie in diesem Münsteraner „Tatort“ eher getrennte Wege. Foto: ARD

© WDR/Willi Weber

Krimi: Loch im Dach

Das „Tatort“-Gespann Prahl/Liefers ist ernsthafter, als es den Anschein hat. Selbst dann, wenn es um den "Fluch der Mumie" geht.

Einen Film mit einer Mumie im Titel sollte man nicht allzu ernst nehmen. Das gilt fürs Kino ebenso wie fürs Fernsehen – und selbstverständlich besonders, wenn der „Fluch der Mumie“ den Münsteraner „Tatort“-Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und seinen Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) heimsucht. Jeder halbwegs an Archäologie interessierte TV-Zuschauer dürfte schon einmal davon gehört haben, mit welchen technischen Mitteln man das Alter einer Mumie bestimmen kann. Wenn das bewährte Autorenteam Stefan Cantz und Jan Hinter solche wissenschaftliche Selbstverständlichkeiten kurzerhand ignoriert, so geschieht das nur aus einem einzigen Grund: Man will dem Zuschauer den Spaß an diesem mitunter aberwitzigen Fernsehkrimi nicht verderben. Immerhin verzichtet Regisseur Kaspar Heidelbach („Das Wunder von Lengede“) auf zusätzliche Effekthaschereien mit dem einbalsamierten Verblichenen.

Trocken an diesem „Tatort“ ist nicht nur der blasierte Humor von Professor Boerne, auch die Wasserleitungen in seinem Haus lassen zu wünschen übrig. Das gefällt weder dem Gerichtsmediziner noch seinem Mieter Thiel. Immerhin kennt der Kommissar eine Waschgelegenheit bei seinem Vater (Claus D. Clausnitzer), der gerade mit einem Entrümpelungsauftrag bei der Enkeltochter eines berühmten Archäologen Geld für die Hinterachse seines Taxis verdienen will – und dabei auf die Holzkiste mit der Mumie stößt.

Dass es sich bei dem Fund um eine wissenschaftliche Sensation handeln könnte, erkennt auch Professor Wilfried Kastner (Justus von Justus von Dohnányi) vom Archäologischen Institut der Münsteraner Universität sofort. Eine Inschrift auf dem 2000 Jahre alten mumifizierten Körper deutet darauf hin, dass der Tote aus dem alten Persien stammt, wo diese Konservierungspraktiken bislang als unbekannt galten. Doch womöglich verbirgt sich unter den Bandagen noch eine ganz andere Sensation, denn Boerne entdeckt dort bei seinen Untersuchungen eine zutiefst moderne Tötungsart und ist keineswegs bereit, die Meriten allein dem Archäologen zu überlassen.

Kommissar Thiel und seine Assistentin haben indes ganz andere Probleme zu lösen. Auch sie mühen sich mit einer Leiche ab, die ebenfalls ein „Loch im Dach“ aufweist, wie Thiel an Stelle des anderweitig verhinderten Boernes diagnostiziert. Der Justizvollzugsbeamte Mathias Reinhard, der da tot in seinem Keller liegt, war alles andere als ein liebenswürdiger Zeitgenosse und vor allem dafür bekannt, dass er die Gefängnisinsassen nach Kräften schikaniert hat.

Mit Personalproblemen hat auch Professor Boerne in der Gerichtsmedizin zu kämpfen. Silke „Alberich“ Haller (ChrisTine Urspruch) ist verschnupft und ohnehin mehr daran interessiert, wie sie ihrem Brieffreund Andreas Lechner (Tobias Schenke) nach seinem Knastaufenthalt wieder resozialisieren kann, wodurch die beiden Handlungsstränge dann endgültig zu einem großen Fall werden.

Das Gespann Thiel/Boerne unterhält die ARD-Zuschauer nun bereits im neunten Jahren auf dem „Tatort“-Platz. Die größte Schwierigkeit dabei besteht ein ums andere Mal, die Distanz zwischen den ungleichen Charakteren zu wahren. Zwischenzeitliche Verbrüderungstendenzen zwischen dem Snob und dem FC-St.-Pauli-Fan werden postwendend abgewehrt. Hätte Thiel bereits bei den Dreharbeiten zum „Fluch der Mumie“ vom Aufstieg seines Lieblingsvereins gewusst, wäre sicherlich die eine oder andere Spitze in Richtung Boerne und die Münsteraner Fußball-Provinz fällig gewesen. An der unterhaltsamen Spannung zwischen den Protagonisten haben Cantz und Hinter aber nicht nur einen gewichtigen Anteil, weil sie dieses TV-Gespann 2002 ins Leben gerufen haben, sondern auch, weil die „Mumie“ bereits der siebte Münster-Krimi aus ihrer Feder ist.

Mit dem „Fluch der Mumie“ ist es den Autoren gelungen, einen selbst für Münsteraner Verhältnisse außergewöhnlichen „Tatort“ zu präsentieren. Das betrifft nicht nur die ungewöhnliche Leiche, sondern genauso das Motiv für den Mord – das in genialer Weise zu der westfälischen Universitätsstadt passt. Möglicherweise muss man diesen „Tatort“ erheblich ernster nehmen als es zunächst den Anschein hat. Kurt Sagatz

„Tatort: Der Fluch der Mumie“,

20 Uhr 15, ARD

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