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Sauber bleiben

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Krimi: Sauber bleiben

Die ambitionierte ZDF-Serie „Der Kriminalist“ geht in die zweite Staffel. Eine Herausforderung für deutsche Krimifans.

Freundliche Herren reiferen Jahrgangs, immer ein wenig steif, erkundigen sich wichtig bei verschiedenen Verdächtigen, wo sie sich denn zur Tatzeit aufgehalten hätten. So war früher der Freitag im ZDF. Ob „Der Kommissar“, „Derrick“ oder „Der Alte“, die Geschichten waren übersichtlich, die Grenzen zwischen Gut und Böse eindeutig, meist kamen die Täter aus besseren Kreisen, und die Inszenierung war stets gemächlich. Diese Machart änderte sich zunächst zögerlich mit „Siska“; im vergangenen Jahr vollzog sich dann mit gleich zwei neuen Krimiserien ein regelrechter Paradigmenwechsel. Während sich „Stolberg“ (beim Neustart am 21. September unter dem Titel „Kommissar Stolberg“) noch deutlich an der Tradition orientierte, sorgte die Bildsprache von „KDD“ (Kriminaldauerdienst) fast schon für Verwirrung beim Publikum. Die einzelnen Szenen wurden regelmäßig in verschiedene Einstellungen zerlegt, was zwar zu einer enormen Schnittfrequenz führte, den Geschichten aber nicht wirklich weiterhalf.

Die dritte Produktion im Bunde, „Der Kriminalist“, ist ein Kompromiss. Vielleicht war sich das Publikum deshalb nicht sicher, ob es dem einsamen Wolf seine Sympathie schenken sollte. Die Zuschauerzahlen schwankten zwischen eindrucksvollen 5,6 und mageren 3,9 Millionen. Auch die zweite Staffel, die nun startet, ist eine Herausforderung für deutsche Krimifans. Traditionell haben es Geschichten, in denen die Hüter von Recht und Ordnung zu Gesetzesbrechern werden, hierzulande schwer. Und in dieser Serie watet Hauptkommissar Bruno Schumann (Christian Berkel) durch einen Großstadtsumpf, in dem sich Schurken und Helden nicht einmal mehr durch die Polizeimarke unterscheiden. Einzig Schumann selbst bleibt standhaft wie ein Fels. Um seine Loyalität und Moral braucht man auch dann nicht zu fürchten, als ihm Clan-Chef Tarak Assis (Diego Wallraff) gegen Ende der ersten neuen Episode ein Angebot macht, das der Kommissar nicht ablehnen kann.

Dabei schien der Fall eigentlich schon so gut wie gelöst zu sein: Ein Polizist wird vor den Türen einer Disco erschossen. Bohm, sein Chef (Wotan Wilke Möhring), hat den Täter gesehen und identifiziert ihn kurz darauf; offensichtlich war es ein Türke, der die Ehre seiner Schwester verteidigen wollte. Zudem werden in dessen Wohnung zwei Kilo Haschisch sichergestellt. Doch Ayla (Pegah Ferydoni), die schöne Schwester des vermeintlichen Mörders, legt für ihren Bruder die Hand ins Feuer, beteuert, den Toten vorher noch nie gesehen zu haben. Der ermordete Kollege entpuppt sich als „Undercover“-Ermittler, der zum Entsetzen seiner Witwe ein Doppelleben in Saus und Braus führte. Offenbar stand er auf der Lohnliste von Assis, dem größten Drogendealer von Berlin. Doch als Schumann klar wird, dass er einem abgekarteten Spiel aufgesessen ist, hat Assis die schöne Ayla bereits in seiner Gewalt. Hilflos muss Schumann ansehen, wie der Dealer die Frau foltert – und wird so zur Kooperation gezwungen.

Die entsprechenden Bilder, immerhin bereits kurz nach 21 Uhr zu sehen, hätte es früher freitags nicht gegeben. Ohnehin erinnert die farb- und lichtarme Bildgestaltung an den bei der Kritik gefeierten, beim Publikum aber komplett durchgefallenen Sat-1-Film „Blackout“. Wenn die weiteren Geschichten ähnlich gut sind und Inszenierung und Bildgestaltung ebenso aufwendig sind wie in dieser Folge von Thomas Jahn (Regie) und Henning Jessel (Kamera), hat „Der Kriminalist“ das Zeug zur derzeit besten deutschen Krimiserie. Dem Publikumsgeschmack dürfte dabei entgegenkommen, dass Schumann nicht mehr so konsequent als einsamer Wolf auf die Jagd geschickt wird. In der zweiten Staffel ist Anna Schudt zwar nicht mehr mit von der Partie, dafür avanciert Schumanns Assistent Henry Weber, gespielt von Frank Giering („Baader“), vom bloßen Stichwortgeber zum Partner.

Der Kriminalist, ZDF, zweite Staffel ab Freitag, 20 Uhr 15.

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