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KRITISCH gesehen: Sprung in die Belanglosigkeit

„Wetten, dass..

„Wetten, dass...?“ – ZDF, Samstagabend. Das ist natürlich alles kein schlechtes Fernsehen. Schlechtes Fernsehen ist böse. Schlechtes Fernsehen lügt und täuscht und verkauft seine Zuschauer für dumm. Das alles macht „Wetten, dass…?“ nicht – die Fernsehshow erfüllt Erwartungen, und wenn die Erwartungen nicht allzu groß sind, dann reicht es für einen angenehmen Abend. Das Problem ist nur: Die Erwartungen an „Wetten, dass…?“ sind höher als an andere Fernsehshows. Es ist ein Problem, weil „Wetten, dass…“ einfach nicht mehr die beste Fernsehshow ist.

Die erste Ausgabe nach der Sommerpause ging knapp drei Stunden, und vielleicht gibt es Menschen, für die es eine Kunstform darstellt, so wenig zu leisten wie die Macher der ZDF-Show von Samstagabend. Irgendwann, so ungefähr nach der Hälfte, konnte man den Eindruck bekommen, die Verantwortlichen würden von nun an jede Ausgabe unter ein Motto stellen; das Motto diesmal hieß: Langeweile. Nichts begeisterte, nichts flutschte, nichts berührte einen.

Thomas Gottschalk hat es geschafft, dass sein Desinteresse auch das Desinteresse der Zuschauer geworden ist, anders ist das alles nicht mehr zu erklären. Denn man muss jetzt nicht auf die Verdienste Gottschalks für das deutsche Fernsehen verweisen, um die Tatsache aufzuzeigen, dass diese Show, die Gäste, die Wetten – dass das ganze Konzept Gottschalk nicht mehr begeistern kann. Seit einiger Zeit setzen sie dem Moderator viertklassige Komiker auf die Couch, seit einiger Zeit glauben die von „Wetten, dass…?“, dass die Frau, die sich Cindy aus Marzahn nennt, ins Fernsehen gehört. Deshalb spielen sie kleine Filmchen mit ihr ein, auch wenn sie es nicht auf die Couch schafft, weil sie ihre dünnen Geschichtchen in Göttingen erzählen muss. Auf ähnlichem Niveau bewegt sich Bülent Ceylan, der gemeinsam mit Michael Mittermeier auftrat, der seine große Zeit im Oktober 1995 hatte. Ceylan antwortet, wenn ihn Gottschalk etwas nicht allzu Schweres fragt, mit seinen auswendig gelernten Gags, die er tags zuvor auf RTL erzählt hat. Nach zehn Minuten schickten sie ihn deshalb Bier holen zum Oktoberfest.

„Wetten, dass…?“ kam diesmal aus München, es war das letzte Wiesn-Wochenende, und vielleicht hätten sich die Gäste statt auf der Couch besser ohne Kameras im Käfer-Zelt getroffen, dann wäre den Zuschauern all das erspart geblieben: der Auftritt von Katy Perry, der langweiligsten Frau der Popmusik, deren Gesicht so leer und ausdruckslos und belanglos ist wie ihre Musik. Der Auftritt von Arjen Robben, der auf dem Fußballplatz genau einen Trick kennt und als Gast in einer Fernsehshow gar keinen. Der Auftritt von Milla Jovovich, der genau so sinnvoll war wie alles, was die Frau während der Sendung sagte. Der Auftritt von Christine Neubauer, deren größtes Geheimnis darin besteht, dass sie ja tatsächlich quotenmäßig die erfolgreichste Schauspielerin des deutschen Fernsehens ist – alle anderen Geheimnisse kennen wir jetzt, zum Beispiel, dass sie am Samstagabend entweder keine Unterhose trug oder eine furchtbar hässliche, denn ihre Unterhose nannte sie als Grund dafür, dass sie nicht von einem Sprungbrett ins Wasser hüpfte.

Gottschalk hüpfte übrigens. In der Dramaturgie der Sendung war das der Höhepunkt – die Leute konnten das gar nicht fassen: Ein Moderator, der von siebeneinhalb Metern ins Wasser springt! Die ganze Tragik von „Wetten, dass…?“ lag in diesem Sprung, denn Stefan Raab, der die Samstagabendunterhaltung mit „Schlag den Raab“ längst in eine neue Zeit und auf ein anderes Level gehoben hat, macht seit 2004 eine komplette Show davon, dass Prominente ins Wasser springen.

„Wetten, dass…?“ wird 30 Jahre alt, und man mochte die Show einmal wegen der Irren, die ihre Wetten dort präsentierten, aber mittlerweile kann man sich an die Wetten kurz nach der Sendung schon nicht mehr erinnern – so wenig, wie man sich an irgendwas Lustiges von Thomas Gottschalk erinnern kann. „Wetten, dass…?“ ist kein schlechtes Fernsehen. Gerade darum hat es diesen Untergang nicht verdient. Matthias Kalle

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