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Leo Kirch scheute die Öffentlichkeit. Es gibt wenig Fotos des ehemals bedeutendsten deutschen Filmhändlers.

© ZDF/dpa

Leo-Kirch-Dokumentation: Der große Zampano

Was trieb Leo Kirch an? Eine ZDF-Dokumentation erinnert an den einflussreichen, aber auch umstrittenen Medienmogul.

Medienmogul. Medienzar. Leo Kirch ist noch jeder Superlativ zugeschrieben worden. Aber hier, in der neuen ZDF-Dokumentation, wird seine Biographie, sein Lebenswerk anders intoniert. Die 45 Minuten der Autoren Berthold Baule und Michael Jürgs durchziehen Ausschnitte aus Federico Fellinis Film „La Strada“. Anthony Quinn in der Rolle des „Großen Zampanos“, Leo Kirch als „Der große Zampano“. Beide erscheinen als Prahler, wollen den staunenden Mitmenschen weismachen, sie könnten Unmögliches möglich machen. Der Zampano ist auch der, der die Fäden in der Hand hält.

Das Bild ist gut gewählt und sauber belegt, unter anderem durch ein Gespräch des früheren Kirch-Geschäftsführers Bodo Scriba mit Leo Kirch. Was ihm wirklich wichtig sei, fragte Scriba seinen Chef: Macht? Geld? Spiel? Spiel war die schnelle, inbrünstige Antwort.

Der erste Film, den Kirch nach Deutschland importierte, war Mitte der 50er Jahre tatsächlich Fellinis „La Strada“. Dafür war er nach Rom gefahren, dafür hatte er sich bei seinem Schwiegervater 25 000 Mark geliehen. Das wird Kirchs Geschäftsprinzip. Film- und Serienware möglichst günstig einkaufen und möglichst teuer weiterverkaufen. Für das ZDF wird er bald ein Drittel des Programms beisteuern. Ob „Raumschiff Enterprise“, „Bonanza“, „Die Straßen von San Francisco“ – in den Kirch-Regalen liegen Quotengaranten.

Garantiert hohe Gewinne: Das Kirch-Geschäftsmodell

Sein erfolgreiches wie umstrittenes Geschäftsmodell garantierte hohe Gewinne. Dabei schuf er sich als Strippenzieher in der Medienbranche und vielfacher Firmengründer im Schlagschatten der Öffentlichkeit ein Geflecht von Unternehmen und Beteiligungen. Konzentration von Medienmacht und politische Einflussnahme wurden dem Konservativen vorgehalten. Mittels Milliardenkrediten und dank mächtiger Fürsprecher, vorneweg sein Lebensfreund (und Spendenfreund?) Helmut Kohl, baute er sein Imperium weiter aus. Er verhob sich, als sich die Erwartungen an das Premiere-Bezahlfernsehen in ein Milliardengrab verkehrten, und der Plan, sehr still und sehr heimlich die Aktienmehrheit beim Springer-Verlag zu erlangen, scheiterte.

Fast erblindet und völlig überschuldet wurde eine der großen Unternehmergestalten der Nachkriegszeit Zeuge des eigenen Niedergangs. Frei von Larmoyanz und Selbstmitleid – „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen“, zitierte Kirch den Hiob – musste er 2001 die Insolvenz seiner Firmengruppe erleben und blieb doch bis zu seinem Tod 2011 ein Fighter. Getreu seiner Überzeugung, „erschossen hat mich der Rolf", klagte er unverdrossen gegen die Deutsche Bank und ihren Chef Rolf Breuer. Erlebt hat Leo Kirch seinen großen Triumph nicht mehr: Die Bank musste an die Erben und Gläubiger fast eine Milliarde Euro bezahlen.

Die Dokumentation passiert die wesentlichen Stationen im Geschäftsleben des gebürtigen Franken und Winzersohns Leo Kirch. Es gibt sechs Kapital, jeweils durch leicht kindische Kirch-Comics getrennt. Man spürt hier den Wunsch der Macher, mit allerlei Produktions-Tamtam die Biographie des so gefürchteten wie geachteten Filmhändlers in fluides Fernsehen zu verwandeln. Als hätten sie Sorge, dass die Ausgangsfrage – Wer war Leo Kirch? – großes Gähnen bei der Antwort auslösen würde. Wer aber auch nur ein bisschen um die Entstehung des Privatfernsehens, um die Existenz der aktuell sehr gut verdienenden ProSieben-Sat1-Gruppe und des mittlerweile profitablen Pay-TV Sky weiß, der möchte auf jeden Fall erfahren, welche Geschäftsidee, welche Vision dahinterstand, als Leo Kirch sich in den großen Medienzampano verwandelte.

Weggefährten (leider fehlt hier sein Intimus Dieter Hahn), Freunde und Widersacher erinnern sich an die Erfolge und Niederlagen Leo Kirchs und an ihre Begegnungen mit dem Geschäfts- und Privatmann. Auf der Interviewliste von Michael Jürgs stehen der ehemalige ZDF-Intendant Dieter Stolte, Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, Ex-RTL-Chef Helmut Thoma, Gerhard Schröders ehemaliger Minister Bodo Hombach und Late-Night-Talker Harald Schmidt, der bekennt: „Ich kann nur prinzipiell sagen, nie wurde mir bei einem Sender so wenig reingeredet wie zu Zeiten des angeblich so strengen und finsteren Leo Kirch.“

Es gibt in der Doku, die mit dem pointierten Text von Michael Jürgs punktet, keinen einzigen O-Ton von Leo Kirch. Er suchte die Öffentlichkeit nicht. Wer also war Leo Kirch? Einer, der bessere Geschäfte machen konnte, weil auch die Geschäftspartner nicht alle Geheimnisse des Geschäfts kannten. Ein großer Zampano.

„Der große Zampano“, ZDF, Dienstag, 22 Uhr 45

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