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Müssen Kinder überhaupt noch schreiben lernen? Diese Berliner Grundschüler lernen schon am Computer.

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Leserdebatte: Kein Mensch braucht mehr die Handschrift

Einst verdrängte die Kulturtechnik des Schreibens die mündliche Überlieferung. Heute droht das Tippen das Schreiben zu verdrängten. Halb so wild, meint unsere Autorin, Kinder müssen nicht mehr unbedingt das Schreiben mit der Hand lernen. Was meinen Sie? Diskutieren Sie mit!

Auf uns rollt augenblicklich eine interessante Diskussion zu: Welche Rolle sollen Medien in der Schule spielen? Während in allen westlichen Ländern die Schulen Lesen, Rechnen und Schreiben vermitteln, ist der Umgang mit Computern international unterschiedlich. Dabei ist klar: Am Unterrichtsziel „Medienkompetenz“ kommt niemand mehr vorbei. Die Regeln, nach denen man Informationen googelt und überprüft, gehören in jedes Klassenzimmer, das einen ernsthaft auf das Leben vorbereitet. Doch wie weit soll das gehen?

Letzte Woche erzählte mir Erik Kruse, Manager bei der schwedischen Handyfirma Ericsson, dass die Kinder in drei Stockholmer Grundschulen direkt auf der Tastatur Schreiben lernen und nicht mit dem Stift in der Hand. Dabei hätte man festgestellt, dass sie viel schneller lesen können und eifriger bei der Sache sind. Was sicher gut ist. Trotzdem wurde selbst mir als eher medienfreundlichem Lebewesen unheimlich. Schreiben? Nur noch mit Computer?

Mercedes Bunz war Online-Chefin des Tagesspiegels. Sie lebt heute in London und bloggt unter www.mercedes-bunz.de
Mercedes Bunz war Online-Chefin des Tagesspiegels. Sie lebt heute in London und bloggt unter www.mercedes-bunz.de

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Die Vorstellung, auf meine elektronischen Geräte, vor allem aber auf Strom angewiesen zu sein, wenn ich draußen in der Welt etwas notieren will, lies bei mir im Kopf die rote Warnlampe „Medienabhängigkeit“ wild aufkreischen. Andererseits, wann stranden wir schon einmal allein im Wald ohne Strom? Und was sollte man da aufschreiben wollen? Man muss sich die Frage mit aller Nüchternheit stellen: Brauchen wir noch die Handschrift, oder wird diese Technik, die einst die mündliche Kultur verdrängte, jetzt selbst entsorgt?

In Großbritannien bekämpft man die Medienabhängigkeit derweil an ganz anderer Stelle. Damit man weniger der Software großer Firmen ausgeliefert ist, hat man dort Anfang des Jahres den Schulunterricht reformiert. Anknüpfend an naturwissenschaftliche Fächer will man in der Schule stärker das Programmieren vermitteln. Ein gutes Ziel. Stranden wir nicht in Wahrheit eher an den Grenzen von Programmen wie Word, Excel oder PowerPoint, als im Wald?

Vielleicht sollten wir nach dem ersten Entsetzen erst einmal durchatmen. Versetzen wir uns zurück in unsere Kindheit und spüren, wie unsere kleinen, plattgedrückten Finger im Fach „Schönschreiben“ verkrampft den sich sträubenden und herumklecksenden Füller umklammern. Dann kommt die Frage auf: Soll Schule den Kindern lehren, worunter wir Alten gelitten haben, oder was sie heute brauchen? Oder hat das Trainieren von Feinmotorik etwas für sich, und das Schreiben mit dem Stift ist so etwas wie Sport? Wir sind gespannt auf Ihre Meinung. Diskutieren Sie mit über die Kommentarfunktion unter diesem Artikel.

Die Autorin war Online-Chefin des Tagesspiegels. Sie lebt heute in London und bloggt unter www.mercedes-bunz.de.

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