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Medienkritik: RTL und der Führerschein fürs Kind

Es gibt das Grundgesetz, und es gibt RTL. Das geplante Format "Erwachsen auf Probe" strapaziert einen Zusammenhang. Vom 3. Juni an sollen ja sieben Ausgaben lang Teenager mit Leihbabys das Elternsein ausprobieren. Die Kritik ist massiv. Doch RTL hält am Projekt fest.

Zahlreiche Institutionen wie der Kinderschutzbund und die evangelische Kirche fordern eine Absetzung vor der ersten Ausstrahlung. Die Bundes-Psychotherapeutenkammer verlangt schärfere Gesetze, um Säuglinge vor derartigen „Big-Brother-Experimenten“ zu schützen.

RTL geht mit einer aktuellen Erklärung seinerseits in die Offensive. Darin wird sämtliche Kritik an „Erwachsen auf Probe“ als unberechtigt zurückgewiesen. Das Format sei intensiv geprüft worden, heißt es. RTL habe seine Verantwortung bewusst wahrgenommen und sei mit der Situation in den Familien und Probefamilien „zu jeder Zeit umsichtig und behutsam umgegangen“. Der Sender spricht von einer selten dagewesenen „pauschalen Vorverurteilung“ und erklärt, sich mit der Dokumentation eines gesellschaftlich relevanten Themas – Schwangerschaften bei minderjährigen Mädchen – anzunehmen. „Erwachsen auf Probe“ sei ein Eignungstest für Jugendliche mit Kinderwunsch, bei dem sie Familienkompetenz erlernten und Verantwortung für Kinder, den Partner und sich selbst übernähmen.

Bei „Erwachsen auf Probe“ handelt es sich um ein BBC-Format; in Großbritannien wird die Reihe, von der bisher zwei Staffeln gelaufen sind, von Lehrern als Schul- und Schulungsmaterial benutzt. Auch RTL plant die Herausgabe von Begleitmaterial, 66 zahlreiche Pädagogen würden dies schon anfragen.

Alle Folgen der Dokumentation sind laut RTL der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) vorab zur Prüfung vorgelegt worden und hätten eine Freigabe für das Hauptabendprogramm erhalten. Die FSF habe RTL positive pädagogische Beweggründe attestiert und festgestellt, dass es innerhalb der Dokumentation „zahlreiche Sicherungssysteme“ gebe. „Die öffentlich wiederholte Behauptung, beteiligte Kinder seien unkalkulierbaren körperlichen und seelischen Risiken ausgesetzt, ist falsch. Die Eltern und Mütter waren fester Bestandteil der Sendung und begleiteten ihre Kinder während der viertägigen Trennung. Entgegen kritischer Stimmen waren sie oft nur wenige Meter von ihren Kindern entfernt“, betont RTL.

Alle Beteiligten seien Tag und Nacht von Experten wie Erziehern, Krankenschwestern und Psychologen überwacht worden. Niemand sei unvorbereitet in das Projekt gegangen. Alle Teilnehmer hätten die Sendung zudem jederzeit abbrechen können. „Ein Risiko für die Kinder bestand zu keiner Zeit“, erklärt RTL. Solange der Sender auf einer Ausstrahlung beharrt, laufen die Forderungen nach Absetzung wohl ins Leere. Hier kommt das Grundgesetz ins Spiel. Die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) weist nämlich darauf hin, dass die Rundfunkfreiheit, wie sie in Artikel 5 GG garantiert wird, nur dann eingeschränkt werden könne, wenn gegen geltendes Recht verstoßen werde. Ohne diesen Nachweis kommt jedes Verbot einer Zensur gleich. Konkret müssten laut ZAK die zuständigen Behörden, zum Beispiel die Jugendämter, prüfen, ob bei der Produktion von „Erwachsen auf Probe“ die Rechte der gezeigten Babys und Kleinkinder verletzt worden seien. Dieser Prüfprozess könnte in Gang kommen, in Freising hat ein interdisziplinärer Arbeitskreis Strafanzeige gegen die betroffenen Eltern und Verantwortlichen wegen „möglicher Körperverletzung und Misshandlung Schutzbefohlener“ gestellt. Die ZAK meldet, die für RTL zuständige niedersächsische Landesmedienanstalt würde sich erst nach Ausstrahlung der ersten Folge mit dem Fernsehprojekt beschäftigen.

Als Reaktion auf die massiven Einwände lädt RTL die Kritiker für den heutigen Freitag ein, sich Teile des neuen Help-TV-Formats vorab anzusehen. Zur Sichtung plus Diskussionsrunde gibt es bislang Zusagen unter anderem vom Kinderschutzbund und aus der Politik.

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