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Spricht fünf Sprachen. Edson Santiago Piporente de la Paz (alias Olli Dittrich) ist der neue HSV-Fussballstar „Pipo“.

© WDR/Beba Franziska Lindhorst

Mehr als nur Comedy: Olli Dittrich parodiert das Frühstücksfernsehen

Die Morgenmagazine im deutschen Fernsehen haben es sich verdient: Olli Dittrich demaskiert und dekonstruiert das Sendegeschehen. Als Verwandlungskünstler und zusammen mit Cordula Stratmann.

Kinderlärm stört Gartenidyll? Ist doch gar kein Problem. Da hat die bayrische Bürgermeisterin Ingrid Höffelhuber (CSU) eine tolle Idee: den „Spielplatz 21“ – eine Kinderstätte unter der Erde. Dann sind sie still. Schluck. Manchmal ist die Parodie näher dran an der Wirklichkeit, als ihr lieb ist. Das ist ja nicht das Schlechteste, was man von ihr sagen kann. Und von Olli Dittrich auch nicht. Diese Ingrid Höffelhuber in der bayrischen Bürgerstube ist eine weitere Perle aus der Werkstatt von Deutschlands bestem Verwandlungskünstler, zu sehen heute Abend im „Frühstücksfernsehen“.

Olli-Dittrich-Fans wird es freuen. Der dreifache Grimme-Preisträger ist viel zu selten zu sehen im deutschen Fernsehen, regelmäßig noch neben  Harald Schmidt im Pay-TV-Sender Sky. Sein „Dittsche“, der seit 2004 im Bademantel im Hamburger Imbiss herumtigernde Arbeitslose, ist im Dritten von 20 auf zehn Folgen heruntergefahren und bis zum Herbst unsichtbar. Zeit fürs „Frühstücksfernsehen“, eine 30-minütige Persiflage auf die Morgenmagazine der deutschen Fernsehlandschaft. Eine der zahlreichen Formatideen, mit denen der 56-Jährige schon bei diversen Sendern angeklopft hat. Überwiegend erfolglos, wie er nicht müde wird, in Interviews zu betonen.

Man fragt sich ja morgens vor dem Fernseher öfters, was da für viele Zuschauer oft so unfreiwillig komisch daherkommt, was die unglaublich heiteren Moderatoren vorher eingenommen haben. „Sensationsnachrichten, die keine sind, übermüdete Witze der Moderatoren, schwadronierende Studioexperten, Gewinnspiele und Studiotiere und natürlich Berichte aus Politik, Kultur, Sport und Boulevard“, sagt Dittrich. Auch wenn er eher kein Langschläfer sei, schalte er den Fernseher morgens selten ein. Zur Vorbereitung seiner Sendung dann aber schon. Das Genre Frühstücksfernsehen biete mit seinen unterschiedlichen Facetten optimale Voraussetzungen für eine Parodie.

Dittrich mimt in seinem „Frühstücksfernsehen“ – gedreht in den Kölner Studios vom ARD-„Morgenmagazin“ – neben Ingrid Höffelhuber („Unser Ort soll leiser werden“) den Moderator Sören Lorenz, Nachrichtensprecher Kurt Berghofer (Spitzenmeldung: „Honeckers Tagebücher entdeckt“), den argentinischen Fußballstar Pipo, den Medizinexperten Dr. Gregor Holz und den verschwiegenen Musikgast Bob Dylan. Unterstützt von Cordula Stratmann als Co-Moderatorin Claudia Akgün. Das kommt nah ran an Dittrichs beste Leistung: die 20-minütige Parodie des „Kaisers“ Franz Beckenbauer, 2006 befragt von Harald Schmidt.

Parodistische Darstellung, Detailliebe, Dekonstruktion, bei Olli Dittrich ist nie ganz klar, ob seine Figuren nicht doch „wahrer“ sind als die Parodierten. „Alles erfunden, könnte aber echt sein. Man muss die Figuren in Drehpausen auf die Straße schicken können, ohne dass sie jemandem auffallen“, sagt Dittrich dazu. Um Authentizität und Glaubwürdigkeit der Figuren zu erreichen, sei es unbedingt wichtig, eine perfekte Maske herzustellen. „Meine Haltung, mein Spiel müssen die gleiche Qualität haben, um die Maske dann auch auszufüllen.“ Beispiel Avantgarde-Kunst. Dittrichs Star-Regisseur Maximilian von Klaaden überrascht im „Frühstücksfernsehen“ mit einer ausschließlich von Meerschweinchen getragenen „Romeo und Julia“-Inszenierung, dem „Animal Shakespeare Project“

Wer das sehen will, muss heute Abend bis Mitternacht durchhalten, ähnlich wie neulich bei „Das Ernste“ mit Florian Schroeder. Zur Klage auch von Olli Dittrich. „Jeder Künstler, der mit sehr viel Liebe und Hingabe arbeitet, wünscht sich, dass seine Sendung von vielen Leuten gesehen wird, ich natürlich auch. Es stehen einfach sehr viel mehr Zuschauer zur Verfügung, wenn früher am Abend ausgestrahlt wird.“ Immerhin ist geklärt, dass es nicht bei dem einen „Frühstücksfernsehen“ bleiben wird. WDR-Unterhaltungschef Siegmund Grewenig bestätigte am Sonntag, dass der Sender „nach der ersten Folge dieses Unterhaltungs-Juwel als Staffel weiterproduzieren wird“. Dittrichs Präzision in der Schauspielerei, seine großartigen Masken würden die 30 Minuten aus dem Comedy-Allerlei herausheben. Wahr gesprochen.

„Frühstücksfernsehen“, ARD, 23 Uhr 30

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