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Medien: Mehr Heimat geht nicht In einer Kuschel-Liga: Bundesliga und Fernsehen

Die Arena hat zugemacht, aber der Zirkus ist weiter geöffnet. Die Fußball-Bundesliga ist ja im Fernsehen eine große Sache, wenn nicht die größte überhaupt.

Die Arena hat zugemacht, aber der Zirkus ist weiter geöffnet. Die Fußball-Bundesliga ist ja im Fernsehen eine große Sache, wenn nicht die größte überhaupt. Wer da Erstsenderechte besitzt, der sonnt sich im Gefühl außerordentlicher Bedeutung. Die ARD erklärt die „Sportschau“ zur „Heimat des Fußballs“, der sich offenbar aber nicht so recht entscheiden kann, denn er ist auch bei Premiere „wieder zu Hause“. Der Pay-TV-Sender verzichtete zum Saisonstart auf einen Teil des Arena-Brimboriums. Kein Publikum als Klatschkulisse im mobilen Studio, das ist ein Pluspunkt. Dafür treibt’s Premiere in einem übertrieben großen Raum bunt: Je nach Verein, wechselte in einer Lichtkaskade die Farbe des Studiodesigns. Fehlte nur noch, dass sich auch die Krawatte von Moderator Sebastian Hellmann der Lichtorgelei automatisch anpasste.

Dennoch: Heimatgefühle kamen schon auf. Premiere machte seine Sache in gewohnter Konferenzqualität ordentlich. Außerdem erinnerte die rätselhafte Kringelei von Experte Lothar Matthäus auf dem Bildschirm vor ihm an die lustigen ZDF-Zeichnungen von Jürgen Klopp bei der WM 2006, die ebenfalls niemand verstanden hatte. Die Heimat erkennt man auch daran, dass all die hübschen Floskeln wieder da sind: „Er steht da, wo ein Stürmer zu stehen hat“, hieß es bei Premiere über Bayern-Stürmer Luca Toni, während in der ARD das Zuspiel eines Bremer Profis „gut die Tiefe eröffnet“, was immer das bedeuten mag. Zum Inventar des Fußball-Zuhauses gehört unbedingt auch Gerhard Delling, der die Tabelle des ersten Spieltags messerscharf zu analysieren wusste: „Ab Platz fünf liegt alles eng beieinander – da ist völlig überraschend alles drin.“ Man weiß bei Delling nie so genau, ob das Selbstironie oder ernst gemeint ist.

Die öffentlich-rechtliche „Sportschau“ am Samstag zeigte übrigens neuneinhalb Minuten Werbung und zwei Minuten Sponsorenhinweise. Zieht man noch die „Tagesschau“ (1:37 Minuten), Vor- und Abspann (0:52) sowie zwei Trailer mit Eigenwerbung (0:45) ab, bleiben von 1:24:40 Stunden Bundesliga-„Sportschau“ zwischen 18 Uhr 29 und 19 Uhr 54 eine von der Redaktion gefüllte Sendezeit von 1:09:49 Stunden. Davon waren 51:30 Minuten aktuelle Berichte (inklusive der Interviews nach den sechs Spielen). Die noch fehlende Zeit war vor allem für Dellings Moderation (10:50) und den Nachbericht vom Freitag-Spiel (4:10) reserviert. Ist das jetzt viel oder wenig Fußball? Qualitativ betrachtet, hätte es etwas weniger Frankfurt gegen Hertha und etwas mehr Bayern gegen Rostock sein dürfen.

Die ARD hatte ja bei ihrem großen Live-Auftritt am Freitag schon das Glück, dass die Partie zwischen Meister Stuttgart und Vize-Meister Schalke ausgesprochen unterhaltsam war. Von Tom Bartels kann man das nicht behaupten, der zwar kompetent kommentiert, aber doch allzu glatt und humorlos daherredet. Schon vor dem Spiel hätte es eine schöne Gelegenheit für ein wenig mehr Reporter-Biss gegeben: Bei der bizarren „Eröffnungsfeier“, bei der 18 – dank eines lächerlichen Kostüms – kegelförmige Herren mit Vereinsfahnen ins Stadion schwebten.

Aber es bleibt ein Problem, dass bei all der Freude der Rechtebesitzer über den Bundesliga-Start auch die Harmoniesucht ausgeprägt ist. Seltsam, dass nach all dem Tour-de-France-Wirbel Doping im Fußballzirkus gar keine Rolle spielt. Während der Wespenstich des WerderTrainers Thomas Schaaf auf allen Kanälen ausführlich und in Zeitlupe gewürdigt wurde, war den Reportern bei ARD und ZDF das Thema Doping keinen Halbsatz wert. Doch, im ZDF-„Sport-Studio“ geruhte Katrin Müller-Hohenstein dazu eine Frage zu stellen, nicht an Bremens Diego, sondern an Kanu-Weltmeister Christian Gille (die Kanu-WM war mitten in den Bundesliga-Block gesetzt worden, damit nach Fußball niemand wegzappt). „Hand aufs Herz“, antwortete Gille, „ich würde jedem vertrauen.“ Na, dann ist ja alles gut. Meinte auch Frau Müller-Hohenstein, bei deren Interviews das unangenehme Gefühl aufkommt, sie stelle ihre Fragen nur, um dahinter einen Haken machen zu können. Thomas Gehringer

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