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Medien: Mehr Sangria!

„Wetten, dass…?“ auf Mallorca – nur die Klimaerwärmung kann das stoppen

„Wetten, dass ..?“ und Thomas Gottschalk war ja schon öfters eine Krise angedichtet worden. Immer weniger Zuschauer, immer die gleichen Gäste, immer fadere Wetten, immer peinlichere Gespräche. Das mag ja alles stimmen. Am Samstag hat der 59-Jährige zum dritten Mal eine „Wetten, dass ..?“-Ausgabe auf der spanischen Ferieninsel Mallorca moderiert, die insgesamt 182. Ausgabe, und, es ist nach geduldiger Sichtung dieses XXL-Special nicht von der Hand zu weisen: Man kann Gottschalk nur ewige Sonne, ewiges Mittelmeer wünschen. Selten sah er weniger 59-jährig aus, was nicht nur am weißen Anzug, Muschelkette und Gel-Frisur lag. Lange ist das Promi-Wetten-Wurschtigkeitsprinzip nicht mehr so soft, so störungsfrei dahingeplätschert wie an diesem Abend. Nichts anderes wird erwartet. Die Stierkampfarena Coliseo Balear mit dem enthusiasmierten Publikum rundum scheint ein Jungbrunnen für Gottschalk und seine Show zu sein, auch wenn die meisten Gäste wirkten wie aus der Vergangenheit gebeamt, angefangen bei den Simple Minds, über eine Beatles-Revival-Band, Placido Domingo, Ralf Moeller bis hin zu Otto Waalkes.

Fehlte nur noch Jopi Heesters. Da wäre der Flug auf die 30 Grad heiße Mittelmeerinsel aber wohl doch ein bisschen zu anstrengend gewesen. So mühte sich Gottschalk zu späterer Stunde, mit Gästen wie US-Sängerin Ashley Tisdale oder Germany’s Next Top-Model Sara Nuru die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen bei Laune zu halten. Ob Buch, Film, Serie, TV-Show oder neue Platte: Es gibt selbst zur Sommerzeit genug Gründe, bei „Wetten, dass ..?“ vorbeizuschauen und sich dabei vom Moderator Fragen gefallen zu lassen wie Michelle Hunziker.

Ob Berlusconis Haare wirklich überall echt seien und ob Deutschland und Italien nicht mal ihre Regierungschefs tauschen sollten, wollte Gottschalk allen Ernstes von jener Frau wissen, die an der Seite von Eros Ramazzotti, ihrem Ex, offenbar ewige Berühmtheit erlangt hat. Nur die angekündigte Naomi Campbell hatte weniger Geduld mit Deutschlands bekanntestem Fernsehmann. Sie wurde vom ZDF kurzerhand wieder ausgeladen, nachdem sie unannehmbare Forderungen hinsichtlich ihrer Auftrittszeit gestellt haben soll.

Auch das kann sich Europas immer noch erfolgreichste Fernsehshow also leisten. Da darf die Couch-Besetzung dann ruhig mal ein bisschen weniger berühmt daherkommen. Eines muss man Gottschalk lassen: Er lächelt seit 20, 30 Jahren jede Kritik, jeden schlechten Gag weg. Und da Long Drinks an diesem langen Samstagabend nicht nur unter den Gästen, sondern scheinbar auch unterm Publikum verteilt wurden, fielen Gottschalks Rohrkrepierer auf Mallorca noch weniger auf als sonst. Stadionatmo. Am Ende feierte sich das Publikum selber. Sangria für alle!

Verschwendete Zeit bleibt so eine dreistündige „Wetten,dass ..?“-Ausgabe natürlich weiterhin für jeden halbwegs kulturbeflissenen Zeitgenossen. Aber darum geht es gar nicht. 9,29 Millionen Zuschauer sahen zu, ein Marktanteil von 39,7 Prozent. Jeder dritte Fernsehgucker schaltete an diesem Abend Gottschalk ein. Das ist die einzige Währung, die für das ZDF zählt. Egal, was so ein Show-Trip auf die Insel kostet. Mal ganz abgesehen davon, dass ein Smalltalk bei „Wetten, dass ..?“ mittlerweile auch nicht viel weniger ergiebig ist als Angela Merkel bei Maybrit Illner. Nur notorische Miesmacher können Thomas-Gottschalk-TV noch den Untergang des Abendlandes anlasten. Eine Wettkönigin gab es dann natürlich auch: eine junge Chinesin mit 280 Hula-Hoop-Reifen auf der schlanken Taille. Seltsamerweise abgeschlagen: die amtierende Miss Germany Doris Schmidt und 24 weitere Schönheitsköniginnen, die sich sich bei einer anderen Wette die BHs mit Essstäbchen aufmachen ließen. Das war zu viel. Publikumstoben wie im antiken Rom. Gottschalk, der Gladiator. Noch mehr Sangria! Noch mehr Party!

Erst am Freitag bekundete Thomas Gottschalk, es wäre völlig irrsinnig, diese Sendung infrage zu stellen. Der Mann hat recht. Nur eines kann diesen ganzen Irrsinn, Gottschalk und „Wetten, dass ..?“, noch stoppen, von der Insel und aus der Stierkampfarena vertreiben: die Klimaerwärmung und kräftig steigende Meeresspiegel.

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