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Guck mal, wer da liest. Der Schreiber von E-Mails kann deren Empfänger genauer in den Blick bekommen. Foto: Uwe Annas/Fotolia

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Mein Spion: Meine kleine Wanze

Das Tracking-Programm Readynotify überprüft, ob, wann und wo E-Mails geöffnet wurden. Datenschützer sind skeptisch.

Die deutsche Knigge-Gesellschaft erlaubt seit 2011 offiziell das Beziehungs-Aus per Mail. Was aber, wenn der Verlassene einfach so tut, als hätte er die Trennungsmail niemals gelesen? Wenn er sie ignoriert; zu seiner Liebsten geht und ihr einen Kuss auf die Lippen haucht – als wäre nichts gewesen?

Bisher war die E-Mail ein Kommunikationsmittel, das zum Flunkern einlud. Sowohl beim Verfasser als auch beim Adressaten. Eine E-Mail ist unverfänglich. Im Gegensatz zum Telefonat, zu Messenger oder Videochats ist die elektronische Post zeitlich verzögert. Wer weiß schon, wann der Gegenüber die E-Mail liest? Und wer hat nicht schon einmal gelogen, als er gesagt hat, er habe keine E-Mail bekommen, obwohl er sie längst gelesen hatte? „Die muss wohl im Spam-Ordner gelandet sein“. Jeder kennt diese Ausrede.

Doch damit könnte jetzt Schluss sein. Der gläserne Mensch, er wird noch etwas durchsichtiger. Möglich machen das sogenannte E-Mail-Tracking-Programme. Die Website readnotify.com mit Sitz in Sydney, Australien, ist der bekannteste Anbieter. Mit ihrem Service lässt sich nicht nur herausfinden, wann eine E-Mail gelesen wurde, sondern auch wo, für wie lange, und ob sie wieder geöffnet wurde.

Das klingt nach James Bond und komplizierten Hacker-Methoden, funktioniert aber erstaunlich einfach: Die E-Mail wird über die normale Adresse verschickt, an die des Empfängers wird die Endung readnotify.com angehängt. Dadurch landet die E-Mail zuerst bei Readnotify. Die versehen die E-Mail mit einem Webbug – einer Art virtueller Wanze in Form eines unsichtbaren Bildes – und schicken sie an den Empfänger.

Öffnet dieser die E-Mail, werden die Daten an Readnotify übertragen: Der Absender bekommt eine E-Mail mit den Informationen. Die Überwachung hört damit aber nicht auf. Leitet der Empfänger die E-Mail weiter, wird der Verfasser auch darüber informiert. Ob das System tatsächlich zuverlässig arbeitet, ist allerdings fraglich. Wer beispielsweise eine E-Mail in Berlin öffnet, wird auch schonmal in Dortmund verortet. Fehlinformationen, die noch mehr Konfliktpotenzial bergen können.

Readnotify selbst gibt keine Auskunft darüber, wer den Service nutzt. Die Firma Hewlett-Packard soll zu den Kunden gehören und mit dem Dienst einen Maulwurf ausfindig gemacht haben. Bekannt ist, dass Spam-Firmen Tracking-Dienste nutzen – um zu checken, ob die Mails ankommen oder im Filter hängen bleiben. Weil Readnotify erstaunlich günstig ist, kann im Grunde jeder zum E-Mail-Schnüffler werden.

Die ersten 25 E-Mails sind kostenlos, danach kostet es etwa 19 Euro im Jahr. Die Webseite versichert, dass gegen keine Datenschutzrichtlinien irgendeines Landes verstoßen würde. Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz, widerspricht: „Readnotify ist ein Spionage-Tool, ganz klar.“ Heimliches Ausspionieren, wie bei HP, ist in Deutschland strafbar. „Es handelt sich dabei um Computerspionage und das ist in Deutschland illegal“, sagt Schaar. Möglicherweise läge auch ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht und das Fernmeldegeheimnis vor. Darauf stehen Geld- und Haftstrafen. „Auch wer mit Readnotify seine Frau ausspioniert, ist im Zweifel strafrechtlich belangbar“, sagt Schaar.

Selbst wenn es legal wäre, wäre es moralisch vertretbar? Basiert die E-Mail-Kommunikation nicht darauf, dass man dem Gegenüber zubilligt, nicht ganz ehrlich zu sein? Ist es nicht so, dass Menschen kleine Lügen benutzen, um andere nicht zu verletzten? Im Durchschnitt lügt jeder Mensch 200 Mal am Tag. Fürchterlich, wenn es jedes Mal aufgedeckt würde.

Readnotify gibt auf der eigenen Internetseite wenige Informationen preis. Man hat die Möglichkeit, eine E-Mail-Anfrage zu stellen. Wenn man das tut und dabei auf ihre eigenen Mittel zurückgreift, stellt man fest, dass die Mail nicht geöffnet wird. Zumindest gab es noch keine Tracking-Mail. Vielleicht ist sie auch einfach im Spam-Ordner gelandet. Das könnte man dann glauben oder nicht. Wie früher.

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