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Zentrale und Zukunft. Die GEZ heißt 2013 „Beitragsservice“, und die Gebühren heißen dann „Rundfunkbeiträge“.

© dpa

Modell-Athleten: Ein Besuch bei der GEZ

"Eine Wohnung, ein Beitrag“, heißt es, wenn 2013 die Rundfunkgebühr von der Haushaltsabgabe abgelöst wird. Das kostet Geld und Nerven, zeigt ein Besuch in der GEZ-Zentrale in Köln.

Motivation ist machbar. Bei der Gebühreneinzugszentrale, der GEZ in Köln-Bocklemünd ist sie eine Digitaluhr im Eingangsbereich. Sie zeigt nicht an, wie viele Gebühren ARD, ZDF und Deutschlandradio in diesem Jahr bereits eingenommen haben. Die grünen Ziffern zählen bis auf die Sekunde genau die Restzeit bis zum „Big Bang“ runter. Am 1. Januar 2013 ist die bisherige Rundfunkgebühr Geschichte und der neue Rundfunkbeitrag Gegenwart in Deutschland: „Ein Rundfunkgerät, eine Gebühr“ wird eingetauscht gegen die Formel „eine Wohnung, ein Beitrag“.

Seit 1976, als die GEZ von der Bundespost den Gebühreneinzug übernommen hat, sorgt sich die Zentrale vor den Toren Kölns nebst ihren Nebenstellen bei den ARD-Landessendern um den steten Geldfluss für die öffentlich-rechtlichen Anstalten, 2012 knapp 7,5 Milliarden Euro. Die Quelle droht zu versiegen. Die Definition eines die Gebührenpflicht auslösenden Empfangsgerätes hat sich im Zeitalter der Hybridgeräte aufgelöst, zudem die Zahl der Gebührenverweigerer enorm gestiegen ist. In den Großstädten zahlen nur noch drei Viertel der Haushalte Rundfunkgebühren, was auch an den Befreiungen aus sozialen und finanziellen Gründen liegt, im weitaus größeren Volumen jedoch auf klammheimlich geduldetes Schwarzsehen und Schwarzhören zurückzuführen ist. Nach Köln-Porz oder in einige Kieze Berlins beispielsweise traut sich kein GEZ-Außendienstmitarbeiter mehr, um an einer Wohnungstür nach dem legalen Empfang von ARD und ZDF zu fragen.

Vor solchem Hintergrund kommt der Rundfunkbeitrag gerade recht. Er soll die akuten wie vielfältigen Probleme der Sender bei der Geldbeschaffung lösen. Das Ende der geräteabhängigen Gebühr ist der Anfang einer lebenslangen Haft. Mit dem Urteilsspruch „eine Wohnung, ein Beitrag“ gibt es von 2013 an nur noch die Möglichkeit, aus der Kirche auszutreten, doch nie mehr aus der Finanzierung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Das haben die Ministerpräsidenten und die Länderparlamente so dekretiert. Angesprochen auf dieses einmalige Privileg können die Profiteure von ARD und ZDF sehr treuherzig gucken, sie verweisen auf den Gesetzgeber.

Die Mitarbeiter der Gebühreneinzugszentrale müssen sich über die Notwendigkeit und die Gerechtigkeit des kommenden Rundfunkbeitrages keine Gedanken machen. Sie müssen eine reibungslose Umstellung hinbekommen. Die Herausforderung ist groß, sie zu bestehen fester Wille, angefangen vom Behördenchef Stefan Wolf bis zum Aufseher der Reißwolf-Maschine. Das Gebäude der GEZ ist Teil des WDR-Produktionsgeländes. Hier wird die „Lindenstraße“ gedreht. Die Anspruchslosigkeit der Wochenserie hält Schritt mit dem gealterten Wabenbau der 70er-Jahre; die Türgriffe stammen immer noch aus der Plaste-und-Elaste-Ära, in einer Vitrine wird das brikettgroße Handy eines Fahnders wie eine Reliquie verwahrt. Nein, die GEZ-Zentrale hat nichts mit den Palästen der Anstalten zu schaffen, es ist ein aufs Funktionieren ausgerichteter Bau. Das Geld steckt in der Maschinerie. Es ist ein Massengeschäft. Pro Tag werden 100 000 Schreiben in den Freimersdorfer Weg 6 geliefert. Der Ehrgeiz besteht darin, diese gewaltige Menge in den Kreislauf der knapp 42 Millionen Teilnehmerkonten einzuspeisen. Jedes Schreiben wird gescannt, bearbeitet und, falls nötig, beantwortet. Und zwar in einer möglichst makellosen Form, weswegen schon bei der Eingangspost Klammern entfernt und Eselsohren geglättet werden.

Die GEZ hat einen gewaltigen Datenschatz in ihrem Fort Knox aufgehäuft, der noch größer wird, wenn es im Zuge des Wechsels zum Rundfunkbeitrag einen einmaligen Adressenabgleich mit den Angaben der Einwohnermeldeämter zu allen volljährigen Deutschen geben wird. Stichtag für diese Schleppnetzfahndung ist der 1. März 2013. Die GEZ wird dann jeden, der Gebühren bezahlen muss, elektronisch abgetastet haben. Information und Aufforderung werden schriftlich passieren, Kontrollen an der Wohnungstür sollen wegfallen. Die GEZ wird vom 1. Januar 2013 an „Beitragsservice“ heißen, der will, so sagt es Stefan Wolf, „eine neue Tonalität“ finden, verbesserten Service bieten, Prozesse vereinfachen und transparent machen. Inoffizielles Motto: Wir können auch menschlich.

Die GEZ braucht dringend ein neues Image.

Wer die seltene Gelegenheit bekommt, den Zweckbau zu besuchen, der gewinnt den nachhaltigen Eindruck, dass die GEZ perfekter Arbeitsablauf sein will, zugleich mit Nachdruck an einem neuen Image werkelt. Die zweifache Aufgabe, dem noch gültigen Gebührenmodell Genüge zu tun und parallel das künftige passgenau einzuführen, lässt die Zahl der Mitarbeiter bis 2015 um 250 befristete Stellen auf 1320 anschwellen. Bis 2016, bis zum Ende des Modellwechsels, soll sie auf 930 Stellen sinken und damit den jährlichen Anteil der GEZ an den Gebühren von jetzt 160 Millionen Euro jährlich auf unter 140 Millionen Euro drücken.

Die immer wieder promovierte Idee, dass der kommende Rundfunkbeitrag nicht mehr von der GEZ, sondern kostensparend von den Finanzämtern eingezogen werden könnte, erntet bei den Gebührenprofis nur Kopfschütteln. Komplex sei die Aufgabe, die Finanzbehörden würden sich schön bedanken, wenn sie damit auch noch belastet würden. Hermann Eicher, Justiziar des Südwestrundfunks und im Nebenjob der Experte der ARD zum Thema „Rundfunkbeitrag“, nennt solche Vorstellungen „abwegig“. Gerne schleift der Chefideologe andere Meinungen über Form und Gestalt des Rundfunkbeitrages zu Setzen,-6-Zensuren, trotzdem sieht auch er beim Systemwechsel „Nachteile“ auf die Betroffenen zukommen. Klar, für über 90 Prozent der Bevölkerung ändert sich am Monatsbeitrag von 17,98 Euro nichts, möglicherweise bleibt der Beitrag wegen der höheren Gesamteinnahmen bis Ende 2016 stabil, Mehrfachbelastungen entfallen, Befreiungen wirken fort, das Schwarzsehen wird gedämmt. Und doch, das Ausschließliche des Rundfunkbeitrages, dieser Nur-so-und-nicht-anders-Charakter produziert neue Ungerechtigkeiten. Der Totalverweigerer von Rundfunk wird künftig qua Gesetz in einen Gebührenzahler zwangsverwandelt, der bisherige Nur-Radiohörer mit 5,76 Monatsgebühr wird voll veranlagt. Die Mobilmachung der gesamten Bevölkerung für die Finanzen von ARD und ZDF wird von ihren Propagandisten damit begründet, dass der neue Grundsatz, wer eine Wohnung habe, der müsse zahlen, keine Ausnahmen zulasse. Wer anderes wolle, der müsse sofort zum alten Modell zurückkehren und nachschauen, welches Gerät mit welchen Empfangsqualitäten für die Rundfunknutzung in Haushalt, Unternehmen und Institution bereitstünde.

Die „Modell-Athleten“ sind so verbohrt nicht, dass sie um das größte Einfallstor für Kritik und Ablehnung des künftigen Rundfunkbeitrages nicht wüssten: die Akzeptanz der Programme von ARD, ZDF und Deutschlandradio durch den Gebührenzahler. Richtig erleichtert wirkten die Matadore Eicher, Wolf und WDR-Verwaltungsdirektor Hans W. Färber beim Pressegespräch, dass dies nicht ihr Argumentationsfeld ist. Trotzdem der Werbeauftritt für den Beitrag aus den Programmleistungen gespeist wird. Bayern-Präsident Uli Hoeneß, 60 Jahre alt, also sagt im Plakatmotiv: „Unbequem muss möglich sein“; der CDU-Politiker Heiner Geißler, 82, sagt: „Wir brauchen Informationen auf Augenhöhe statt von oben nach unten.“ Das sind Riesensätze von Männern im gesetzten Alter, fern der so sehr herbeigeflehten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Dort, und das reflektiert die Akzeptanz öffentlich-rechtlichen Programmschaffens, waren Testimonials für den Werbedruck schier nicht zu casten. Und das noch obendrauf: Frauen sehen in Deutschland mehr fern als Männer. Auf den Printmotiven der ARD-ZDF-Kampagne „Freie Medien für freie Meinungen“ findet sich keine einzige Frau. Der Deutsche Frauenrat moniert das heftig, bei der GEZ zucken sie hilflos mit den Achseln. Sind Frauen die klügeren Rundfunkbeitragszahler?

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