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Monika Piel

© WDR

Monika Piel: "Oliver Pocher vertritt nicht meinen Humor“

Monika Piel, die neue WDR-Intendantin, über Harald Schmidt, ungerechte Gebühren und einen Ausstieg bei der Tour de France

Frau Piel, Sie sind knapp 70 Tage Intendantin des WDR. Welche Überraschungen haben Sie erlebt?

In erster Linie bin ich davon überrascht, wie sehr ich vom ersten Tag an in das neue Amt eingetaucht bin. Es gibt keinerlei Schonfristen. Dennoch konnte ich in kurzer Zeit Akzente setzen.

Welche?

Zum Beispiel eine neue Art der internen Kommunikation. Auf Falschmeldungen wie, die ARD könne aufgrund unerwarteter Einnahmen die Gebühren senken, werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Öffentlichkeit angesprochen. Ich habe deshalb an alle Kollegen im WDR Mails mit einer Richtigstellung der Geschäftsleitung geschickt.

Haben Sie den Mitarbeitern auch erklärt, warum Oliver Pocher für "Schmidt & Pocher“ im Ersten engagiert worden ist?

Nein, das fand ich nicht von solcher Relevanz. Aber Ihnen kann ich das gerne erklären.

Das wird sicher auch Pocher selbst interessieren. Er hat ja gesagt, ihn hätte aus der ARD nie jemand angesprochen.

Das ist richtig. Wir sind übereingekommen, dass Harald Schmidt eine Stundensendung erhält. Das Konzept, das Schmidt mir und unserer Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff präsentiert hat, beruht auf der Hereinnahme von Pocher in seine Sendung. Ich war erst einmal überrascht. Harald Schmidt will künftig eine Art Wochenrückblick machen. In erster Linie zum Thema Fernsehen.

Vertritt Herr Pocher Ihre Art von Humor?

Was ich bisher von ihm gehört und gesehen habe: Nein. Aber Harald Schmidt ist sicher, dass er großes Potenzial hat.

Wie garantiert man, dass Herr Pocher einen Humor vertritt, der zur ARD passt?

Garantieren kann das keiner. Aber wir haben uns mit Oliver Pocher nicht auf zehn Jahre festgelegt. Es gibt auch keinen ARD-Vertrag mit ihm, sondern einen Vertrag zwischen Schmidt und Pocher. Das kostet die ARD kein zusätzliches Geld. Für Schmidt steht auch einiges auf dem Spiel.

Oliver Pocher hat verkündet, für Manuel Andrack gebe es keinen Platz mehr.

Herr Andrack war natürlich längst von Schmidt informiert worden. Ob es klug ist, dass Herr Pocher sich dazu geäußert hat, muss er selbst wissen.

Also verschwindet Manuel Andrack wieder in der Kulisse?

Ob Herr Andrack noch eine Seitenrolle haben wird, das hat Harald Schmidt offen gehalten. Aber Andrack ist und bleibt der Redaktionsleiter der Sendung.

Woher kommt der Irrtum, dass ein 29-jähriger Spaßmacher das ARD-Publikum verjüngen kann? Florian Silbereisen hat das beim „Musikantenstadl“ nicht geschafft.

Silbereisen macht weiterhin ein Programm, das eher ältere Leute anspricht. Ich erwarte absolut nicht von Oliver Pocher, dass er ganz viele 14- bis 29-Jährige zu uns bringt. Aber er wird sich im Rahmen des Wochenrückblicks im Fernsehen eher Formate angucken, die ein etwas jüngeres Publikum ansprechen. So könnte es klappen.

Noch nie war das Publikum der öffentlich-rechtlichen Sender so alt wie heute.

Das stimmt. Weil das Durchschnittspublikum auch noch nie so alt war wie heute, etwa 50 Jahre alt. Mir ist jeder Hörer und jeder Seher über 50 genauso lieb wie jeder darunter. Dass wir aber zusehen müssen, mehr Publikum um die 40 zu bekommen, stimmt. Wir schielen nicht auf die ganz junge Zielgruppe.

Die ARD wird niemals eine ordentliche Castingshow wie „Germany’s next Topmodel“ auf den Schirm bringen?

Castingshows, wie sie im Moment bei den Privaten laufen, möchte ich bei uns nie sehen.

Auch nicht „Let’s dance“, den Tanzwettbewerb für das reifere Publikum?

„Let’s dance“ hätte man machen können. Dieses BBC-Format war auch der ARD angeboten worden. Es kam damals aus verschiedenen Gründen nicht infrage, auch weil es zu teuer war.

Seit wann ist der ARD etwas zu teuer? Das ist ja die Nachricht des Tages.

Sie sind bei unseren Sitzungen nicht dabei. Die ARD-Sender sind finanziell unterschiedlich ausgestattet. Da wird richtig hart gefeilscht. Der beste Beweis ist der „Eurovision Dance Contest“, der am 1. September im Ersten startet. Daran sind 14 europäische Sender beteiligt.

Wann ist Hape Kerkeling wieder Mitglied der ARD-Familie?

Hape Kerkeling finde ich so gut wie Harald Schmidt. Das ist jemand, den ich im Auge habe.

Frau Piel, warum sind die Rundfunkgebühren die am meisten angefeindete Gebühr in Deutschland?

Das liegt vor allem an der veröffentlichten Meinung.

Die Presse ist schuld?

Wenn ich mich als Zeitungsleser über die Rundfunkgebühren informiere, habe ich den Eindruck, die Gebühren würden andauernd erhöht. Tatsächlich ist das nur alle fünf Jahre der Fall, aber während dieser Zeit haben wir eine ständige Diskussion. Wenn über meine Wassergebühren derart diskutiert würde, weiß ich nicht, wie das ausginge.

Was ärgert Sie an dieser Diskussion?

Mich ärgert nicht nur, dass der Eindruck erweckt wird, als würden wir permanent die Gebühren erhöhen, sondern auch als würden wir es selbst bestimmen können. Tatsache ist, es gibt ein sehr kompliziertes Verfahren, bei dem unabhängige Experten sorgfältig unsere Anmeldung prüfen. Für den Zeitraum ab 2009 haben wir einen Mehrbedarf von 95 Cent in Höhe des Inflationsausgleichs von zwei Prozent angemeldet. Darin sind schon die einzigen beiden neuen Projekte HDTV und mobiler Rundfunk enthalten. Das bedeutet, dass wir die Vielzahl neuer Aufgaben in der digitalen Welt aus eigener Kraft bewältigen müssen.

Jetzt hat die ARD eine Digitaloffensive angemeldet …

Wir können nicht ignorieren, was sich um uns herum an digitalen Möglichkeiten entwickelt. Wir wollen im Internet unsere Sendungen noch mal zum Nachhören und Nachsehen anbieten. Wir wollen, wenn die laufenden Rechteverhandlungen mit den Gewerkschaften abgeschlossen sind, möglichst große Teile zum Download und als Podcast anbieten.

Ihre Digitalstrategie ist also eine Wiederholungsstrategie?

Das ist der wesentliche Kern. Auch beim Radio, bei dem die Altersstruktur insgesamt deutlich besser aussieht als beim Fernsehen, gehen die Zahlen bei den 14- bis 21-Jährigen zurück. Das ist eine Generation, die mit einem anderen Medienverhalten aufgewachsen ist. Wir versuchen, sie mit speziellen Angeboten über das Internet teilweise zurückzuholen. Um im Fernsehen bei der ganz jungen Zielgruppe erfolgreich zu sein, müssten wir einen eigenen Kanal anbieten. Das ist aber nirgendwo im Gespräch, schon deshalb, weil es sehr, sehr teuer ist.

Wann hat die ARD die Rechte für die Fußball-Europameisterschaft 2008 sicher?

Das wird wahrscheinlich fünf Minuten vor Anpfiff entschieden. Wir wollen einen gewissen Anteil an hochwertigen Spielen, haben uns aber ein Preislimit gesetzt. Wenn es keine Einigung gibt, dann nicht.

Bis wann läuft der Rechtepoker?

Bis Ende August sollte das möglichst entschieden werden.

Vorher läuft die Tour de France im öffentlich-rechtlichen Fernsehen?

Indem man aussteigt, könnten wir uns ganz schnell als „die Guten“ positionieren. Aber so müsste man dann auch mit allen anderen Sportarten umgehen. Und es wird offensichtlich nicht nur im Radsport gedopt.

Wie lange werden Sie die Tour übertragen? Bis zum ersten, zweiten Dopingfall?

Es gibt keinen Automatismus.

Wäre es denkbar, die Live-Berichterstattung stark zurückzufahren?

Denkbar auf jeden Fall.

Auf welche Sendungen kann die WDR-Intendantin im Ersten verzichten?

Nach meinem persönlichen Geschmack haben wir zu viele Volksmusikformate. Um nicht missverstanden zu werden: Ich finde es okay, dass es diese erfolgreichen Sendungen gibt. Wir bedienen sehr viele ältere Zuschauer, die mir wie gesagt genauso lieb sind wie jüngere. Aber ob das in der Häufigkeit sein muss, wage ich zu bezweifeln.

Wer folgt im September Peter Voß als Moderator im „Presseclub“ nach?

Volker Herres, Fernseh-Programmdirektor des NDR. Ich freue mich auf ihn.

Das Interview führten Thomas Gehringer und Joachim Huber.

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