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Auch im KZ Buchenwald wurden Frauen zur Prostitution gezwungen.

© dpa / picture alliance

Nazi-Verbrechen: Die SS als Zuhälter

Zwangsprostitution war Alltag in vielen Konzentrationslagern, die meisten Frauen schwiegen später über ihre sexuelle Ausbeutung. Eine Dokumentation widmet sich nun diesem bislang wenig bekannten Kapitel der NS-Geschichte.

Das erste Bordell für KZ-Häftlinge entstand im Frühjahr 1942 im österreichischen Mauthausen. Es folgten unter anderem Sachsenhausen, Dachau und Buchenwald. In Auschwitz wurde der erste Stock von Block 24a hergerichtet. In insgesamt elf Konzentrationslagern betrieben die Nationalsozialisten Bordelle für „fleißig arbeitende Gefangene“, wie SS-Führer Heinrich Himmler im März 1942 schrieb. Er wollte dadurch, dass ihnen „in der freiesten Form (…) Weiber im Bordell zugeführt werden“, vor allem die Produktivität der Zwangsarbeit steigern.

„Mehr als 200 Frauen“, heißt es in dem Film „Diese verfluchten Stunden am Abend“, seien zur Prostitution gezwungen worden. Sie waren selbst KZ-Insassinnen in einem mörderischen Alltag aus Zwangsarbeit, knappster Versorgung und Misshandlungen, wurden dann nach der Verlegung ins Bordell besser ernährt, medizinisch betreut, gut gekleidet und bekamen ihr eigenes Zimmer. Doch abends mussten sie Häftlingen zur Verfügung stehen, alle 15 Minuten einem anderen. „Dann mussten wir dran glauben, abends zwei Stunden. Diese zwei verfluchten Stunden“, sagte Maria W. bei einem 1990, kurz vor ihrem Tod geführten Interview. Die meisten Frauen überlebten, wurden nie entschädigt – und schwiegen.

Diese Form sexueller Ausbeutung von Frauen ist ein erst seit den neunziger Jahren erforschtes Kapitel des Nationalsozialismus. Auch in der Gedenkkultur spielte diese Gruppe lange Zeit keine Rolle, offenbar galten die Frauen als Opfer zweiter Klasse. So gibt es nur wenige Interviews mit Betroffenen und angeblich überhaupt nur ein Tondokument, das von der Soziologin Christa Paul mitgeschnittene Gespräch mit Maria W. Für die von 3sat und vom ORF koproduzierte Dokumentation entschied sich Autorin Andrea Oster, dieses Interview mit zwei stummen Schauspielerinnen am Kaffeetisch zu inszenieren. Während die Kamera über die Gesichter der Frauen, über die strickenden Hände der Maria-W.-Darstellerin und den Kuchen fährt, hört man den O-Ton aus dem Interview.

Diese biedere Kaffeekränzchen-Atmosphäre irritiert und lenkt ab von dem wertvollen Tondokument. Obendrein nervt der Kommentar aus dem Off durch sein aufdringliches Pathos: „Die Wände der Bordellzimmer“, heißt es da über die heute noch zu besichtigenden Räume in Mauthausen, „scheinen noch immer Wut und Demütigung, Tragik und Tränen auszuatmen.“ Als bedürfte es einer dick aufgetragenen Betroffenheit, damit das Publikum den Opfer-Status der Frauen auch wirklich erkennt und anerkennt.

Schade um den ansonsten informativen Film, in dem Frauen und Männer, ehemalige KZ-Häftlinge und Wissenschaftler, System und Alltag der Lager-Bordelle erläutern. Über die männlichen „Kunden“ fällt die Dokumentation kein leichtfertiges Urteil, für die allermeisten Häftlinge waren die Bordelle ohnehin tabu. In Dachau gab es sogar einen Protest der kommunistischen Gefangenen. Andere wiederum hatten keine Bedenken, sie mussten vor einem Bordell-Besuch einen Antrag stellen und zwei Reichsmark zahlen. Den größten Anteil daran strichen auch hier die Zuhälter ein: Himmlers SS.

„Diese verfluchten Stunden am Abend“, 3sat, 20 Uhr 15

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