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Neue Anstosszeiten in der Bundesliga: So viel Fußball braucht kein Mensch!

Die neuen Anstoßzeiten der Bundesliga werden viele Fans verärgern. Ein Zwischenruf nach 450 Minuten Live-Fußball im Fernsehen.

Ich schaue gern Fußball. Fußball ist schön einfach; deswegen ist es oft entspannend, Fußball zu gucken. An diesem Wochenende habe ich Freitagabend, Samstagnachmittag, Samstagabend, Sonntagnachmittag und Sonntagabend Fußball geguckt. Immer wenn ein Bundesligaspiel angepfiffen wurde, war ich live vor dem Fernseher dabei. Insgesamt waren es 450 Minuten, plus Analysen nach den Spielen.

Seit dieser Saison sind die Anstoßzeiten (Freitag: 20.30 Uhr, Samstag: 15.30 Uhr und 18.30 Uhr, Sonntag: 15.30 Uhr und 17.30 Uhr) erstmals so, dass man an einem Wochenende fünf Spiele live sehen kann. Das soll gut für den Fußball und besser für dessen Vermarktung sein.

Am Freitagabend habe ich alles mitbekommen, ein tolles Spiel. Am Samstagabend, nach dem neuen Topspiel, wusste ich nicht mehr, wer Samstagnachmittag gewonnen hatte. Am Sonntag war ich so durcheinander, dass ich Franz Beckenbauer, der für Sky die Spiele analysiert, für einen Roboter hielt, der unendlich viele Spiele sehen und kommentieren kann.

Bisher war es so, dass es am Freitag, Samstag und Sonntag jeweils einen Anstoßtermin gab. Man verabredete sich meist samstags um 15:30 Uhr, das war spannend, und nach 90 Minuten kannte man sechs von neun Spielergebnissen. Die Deutsche Fußball Liga, die Firma, die mit der Bundesliga Geld verdient, hat sich sicher gedacht, wenn man die Anstoßzeiten fast verdoppelt, schauen auch fast doppelt so viele Leute. Aber die Rechnung wird nicht aufgehen. So viel Fußball braucht kein Mensch. Falls doch, werden viele Leute verrückt oder zu Robotern.

Es gibt eine kritische Menge. Der Fußballliebhaber kann nur eine Menge X an Fußball konsumieren, mehr nicht. Irgendwann ist es zu viel. Wenn ich das Topspiel am Samstagabend intensiv verfolgt habe, am Sonntag Bochum gegen Gladbach schaue, kann ich mich danach nicht mehr auf Freiburg gegen Hamburg konzentrieren. Meinetwegen sollen sie Freitag, Samstag, Sonntag spielen, aber pro Tag eine Anstoßzeit – alles, was drüber ist, zählt nicht mehr zur Menge X.

Entweder wird es vielen Leuten so gehen wie mir, dann wird sich die Zahl der Anstoßzeiten wieder dem anpassen, was die Fans verarbeiten können. Oder es geht so weiter, und die Menschen passen sich einfach den Anstoßzeiten an.

Dann werden sich alle zum Fußball verabreden, erst freitags, dann zweimal samstags, dann zweimal sonntags. Wenn die Männer das ganze Wochenende Fußball gucken, was sagen dann ihre Frauen? Sie werden sich zu ihren Männern vor den Fernseher setzen, in der Halbzeitpause werden Handtaschen und Prosecco beworben. Ganze Familien werden sich erst auf Gladbach gegen Hannover und dann besonders auf Nürnberg gegen Freiburg freuen. Zum Glück überträgt Sky jetzt diese Spiele hintereinander.

Das Letzte, was ich an diesem Wochenende im Fernseher gesehen habe, waren die Tagesthemen. Einundzwanzig Minuten war die Nachrichtensendung lang, zehn Minuten davon wurden die Fußballspiele des Sonntags gezeigt.

Quelle: ZEIT ONLINE

Steffen Dobbert

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