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Wegrationalisiert. Therapeutin Kathi (Jutta Speidel) wurde gekündigt. Sie will von der Brücke springen und trifft dabei auf den aalglatten Topmanager Clemens (Hansa Czypionka), den sie vor dem Selbstmord bewahrt. Foto: ARD

© ARD Degeto/Erika Hauri

Nur nicht unterkriegen lassen: Komödie Ü 50

Jutta Speidel stemmt sich als Arbeitslose im ARD-Mittwochsfilm „Aber jetzt erst recht“ gegen die Welt der Finanzinvestoren.

Sie sei nun 50, da sei sie nun nicht mehr verwendbar, nicht mehr bankable. Sagt ihr der Mann in der Münchner Bank. Zuvor wurde sie entlassen. Kathi Pfeiffer (Jutta Speidel) leitete 21 Jahre die therapeutische Abteilung einer Privatklinik. Der alte Inhaber starb, der neue, ein Finanzinvestor, kündigt ihr kurzerhand, mitsamt ihrem Team, darunter Kathis beste Freundin Emma (Bettina Redlich). Am Abend auf einer der Isarbrücken steht Kathi. Springen? Ein paar Meter weiter, an einem der Brückenpfeiler kauernd, sieht sie einen Mann. Der springt. Kathi hinterher, und so kommt es, dass der aalglatte Topmanager Clemens Nutz (Hansa Czypionka) und die herzensgute Therapeutin im Taxi gemeinsam zu Kathis Wohnhaus fahren, stehen doch Staatsanwaltschaft und Polizei vor der Luxusvilla des Managers. Clemens Nutz gehört jener Spezies Mensch an, die Menschen wie Kathi Pfeiffer wegrationalisieren und nur auf die Rendite sehen. Von seinem eigenen Partner wurde er nun hintergangen. Es ist eine unfreiwillige Begegnung, die die beiden Brückenspringer einander näherbringt.

Nikolai Müllerschön (Kinofilm „Der rote Baron“, 2008) führte bei „Aber jetzt erst recht“ Regie, das Drehbuch schrieb er zusammen mit Gabriela Sperl. Gewiss, dies ist von vornherein klar: Hier soll primär unterhalten werden, schließlich ist diese Komödie, wenngleich sie am ARD-Mittwochabend läuft, eine Produktion der Degeto. Und dies bedeutet, dass der Stoff gefällig sein muss, um zu gefallen, kompatibel sein muss, um noch zu passen.

So sind denn auch Drehbuch und Inszenierung angelegt. Das Thema, das der Fernsehfilm behandelt, ist es ungleich weniger: Der Mensch als bloßes Objekt, das in Zeiten eines immer kälteren, jegliche Sozialität und Individualität abtötenden (Macht- oder Finanz-)Systems ab einem gewissen Alter seine Funktionalität verliert. Der moderne Mensch, entindividualisiert und funktionalisiert, der nur noch faktisch, sachlich, praktisch betrachtet wird: Wie lange ist er wo und wofür einsetzbar?

Alles andere, alles Zwischenmenschliche zumal, geht dabei flöten. Sich dagegen aufzustemmen, kommt einem Don Quijote’schen Kampf gegen Windmühlen gleich. Genau diesen Kampf führt Jutta Speidel in der Figur der Kathi Pfeiffer. Es ist ein ungleicher Kampf, die Verlierer scheinen von Anfang an festzustehen. Subjektiv zumindest dürfte Kathi Pfeiffer für sich gewonnen haben. Ein kleiner Sieg. Ein Sieg Davids gegen Goliath. Sie wird sich später selbstständig machen und im Wohnhaus nebenan ein kleines Therapiezentrum eröffnen, zusammen mit Freundin Emma.

Der Weg dahin – zur beruflichen Eigenständigkeit also, mit allen selbst gewählten Wagnissen und Risiken und Untiefen –, den der auffallend langsam erzählende Film beschreibt, ist steinig und strapaziös. Als dramaturgischer Nebenstrang, kommt es zu einem zwischen Anziehung und Abstoßung mäandernden Kontakt zwischen den beiden so Ungleichen, zwischen Kathi und dem sich wandelndem Herrn Nutz. Der Film „Aber jetzt erst recht“ ist ziemlich seicht und leicht. So die Intention. Das Thema dahinter jedoch, es ist ernst und schwer.

„Aber jetzt erst recht“, ARD, 20 Uhr 15

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