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Online-Journalismus: Von Mäusen und Schnüfflern

Das "Netzwerk Recherche" diskutiert über Onlinegrenzen und Abhörskandale. Wie weit dürfen sich Sender wie ARD und ZDF ihr Onlinegeschäft ausweiten - wo fühlen sich die Verlage auf den Schlips getreten?

Nein, der Pulverdampf legte sich nicht, als am Wochenende bei der Jahrestagung des „Netzwerks Recherche“ Bernd Buchholz, Vorstandsmitglied beim Verlag Gruner + Jahr, und der ARD-Vorsitzende Fritz Raff auf einem Podium zur Frage „Wer darf online?“ aufeinandertrafen. „Die Boulevardisierung von ARD und ZDF, die wir seit langem erleben, wird sich auch im Internet fortsetzen“, prophezeite etwa Bernd Buchholz. Er kritisierte außerdem Angebote der ZDF-Mediathek wie Rezeptdatenbanken, die fast genauso aussähen wie Zeitschriften von G + J. Auch könne es nicht angehen, dass bei ARD und ZDF reihenweise Journalisten eingestellt würden, um Textinhalte zu erstellen. Diesen Vorwurf parierte Moderator Hansjürgen Rosenbauer, einst Intendant des ORB, mit dem Hinweis: „Eigentlich müsste Sie das doch freuen, denn diese Leute haben Sie ja gerade bei sich im Verlag entlassen.“

Ein anderes Stichwort aus dem Entwurf zur Novelle des Rundfunkstaatsvertrages, den die Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche vorgelegt hatten, war die sogenannte „7-Tage-Regelung“, die besagt, dass Sendungen von ARD und ZDF nur für eine Woche abrufbereit sein sollen. Diese Begrenzung, die ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender als „weltfremd“ empfand, entstammt einem BBCModell. Damit sollen auch die Interessen von Fernsehproduzenten geschützt werden, weil nach dieser 7-Tage-Frist eine neue Honorierung fällig wird.

Deutlich wurde bei allem Streit aber auch, dass sich – wenn der Pulverdampf verflogen sein wird – Kooperationen zwischen Verlagen und Sendern im Internet anbahnen werden, wie bereits jetzt zwischen WAZ-Gruppe und WDR. Und NDR-Intendant Lutz Marmor wies darauf hin, dass sich bei dieser Debatte über die Nutzung des Internets möglicherweise „Mäuse im Angesicht einer hungrigen Katze streiten“. Die wahren Gegner seien doch die Googles und Microsofts dieser Welt. Eine neue, ordnungspolitische Idee brachte Springer-Chef Mathias Döpfner in die aktuelle Diskussion ein, indem er im „Spiegel“-Gespräch vorschlug, ARD und ZDF alle Freiheit im Netz zu geben, wenn sie dafür generell auf Werbung, Sponsoring und E-Commerce verzichteten.

Eine andere brisante Podiumsdiskussion in Hamburg trug den Titel „Schnüffeln und Spitzeln. Telekom und wer noch?“, bei der Telekom-Sprecher Philipp Schindera Rede und Antwort stand zu einem „PR-Gau für eine verbrecherische Aktion, die am Ende des Tages außer immensen Kosten überhaupt nichts gebracht hatte“. In den Jahren 2005 und 2006 sollen Telefonverbindungen von Telekom-Mitarbeitern und Journalisten festgehalten worden sein, um undichte Stellen zu finden. Schindera, der seit elf Jahren bei der Telekom ist und dort seit eineinhalb Jahren als Pressesprecher arbeitet, hatte im August 2007 von einem Bespitzelungsfall erfahren und sich dann für eine „interne Aufklärung“ entschieden. Erst als der Vorstand im Februar 2008 eine offene Rechnung einer Überwachungsfirma über 400 000 Euro zugefaxt bekam, ging man damit zur Staatsanwaltschaft. Die schaffte anschließend Lkw-Ladungen an Datenmaterial aus den Räumen der Telekom. Daher könnten derzeit auch keine Anfragen von eventuell betroffenen Journalisten beantwortet werden. „Wir wissen außer einem Fall schlichtweg nicht, wer alles betroffen war. Unsere Keller sind jetzt leer. Auch wir müssen die Ermittlungen abwarten“, sagte Schindera. Über die Möglichkeit des generellen Datenmissbrauchs, sagte Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein: „Daten, die bestehen, werden auch genutzt. In jeder Branche. Und zwar solange, bis die Kosten zu hoch werden.“ Eine echte Kontrolle der Unternehmen sei so gut wie unmöglich. In seiner Behörde müssten sich vier Mitarbeiter um 100 000 Firmen kümmern. Zum Vergleich: „Der Spiegel“, dessen Chefredakteur Georg Mascolo ebenfalls auf dem Podium saß, hatte zur Aufdeckung des Telekom-Skandals zwölf Rechercheure angesetzt. Moderator Kuno Haberbusch, Chef des NDR-Medienmagazins „Zapp“, wies daraufhin, dass Journalisten bei einer solchen Bespitzelungsaffäre nicht nur Opfer seien: „Wahrscheinlich wird auch herauskommen, dass Journalisten gekauft worden sind.“

Um Ausspähungen ging es auch in der Diskussion mit BND-Präsident Ernst Uhrlau zum Thema „Geheimdienste und Journalismus“ im Allgemeinen und dem Bespitzelungsfall der „Spiegel“-Journalistin Susanne Koelbl im Besonderen. Bei ihr waren 2006 ein halbes Jahr lang Mails mit einem afghanischen Minister quasi „aus Versehen“ abgefischt worden. „Das war keine aktive Ausspähung einer Journalistin“, erklärte Uhrlau, der erst im Nachhinein von dem Vorgang in seinem Haus erfahren hatte. „Auch wenn es eine einfache deutsche Staatsbürgerin gewesen wäre, hätten wir uns dafür entschuldigt.“

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