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Medien: „Pickelhauben – das passt nicht mehr!“

Der Publizist Adam Krzeminski über den „Witzkrieg“ polnischer und deutscher Medien

Herr Krzeminski, seit Wochen schlagen deutsche und polnische Medien aufeinander ein. Nur ein Medienkrieg – oder schon ein politischer Streit?

Beides. Die Reaktionen des polnischen Staatspräsidenten auf die Kolumne der „taz“, in der er als Kartoffel beschimpft wurde, waren politisch. Sie werden jetzt medial fortgesetzt. Die polnischen Medien beginnen gerade erst, sich auf Deutschland einzuschießen.

Haben Sie die deutschen Satiren verfolgt?

Ja. Ich kann sehr gut mit Polenwitzen leben. Aber nur, wenn derjenige, der die Witze reißt, mich gut kennt. Ich habe ein Problem damit, wenn das Unwissen über Polen verdeckt wird mit Vorurteilen.

Werfen Sie das deutschen Satireseiten wie dem „Glasauge“ von Welt.de vor?

Mir hat die Reflexion darüber gefehlt, wie wir mit Klischees umgehen. Es reicht nicht, sie plakativ zu verwenden. Die Nachbarschaft zwischen Deutschland und Polen ist tief neurotisch. Ich weiß nicht, ob das die richtige Therapie ist.

Ist der Grund für die Satire nicht einfacher: Die Zwillinge Lech und Jaroslaw Kaczynski sind dankbare Opfer?

Ja, die Zwillinge können ein Auslöser sein, aber die Satire spricht etwas viel Tieferes an. Es gibt auch anderswo Politiker, die medial schwierig sind. Dass man sich ausgerechnet an den beiden Polen auslässt, zeigt, dass es auf deutscher Seite ein Bedürfnis dafür gibt.

Aber zeigen die jüngsten Satiretexte nicht, dass sich die Lage wieder entspannt?

Sicher, es ist nicht mehr so verkrampft wie vorher, als man die „taz“ wegen des Kartoffel-Vergleichs gleich mit dem Nazi-Blatt „Der Stürmer“ verglichen hat.

Warum machen Welt.de und der polnische „Superexpress“ jetzt noch mit?

Ich glaube nicht, dass sie damit ihre Auflage steigern können. Es wäre natürlich witzig, wenn zwei Springer-Medien, das polnische „Fakt“ und Welt.de, eine Fehde gegeneinander austrügen.

Das polnische Boulevard-Blatt „Fakt“ hat oft antideutsche Klischees bedient.

Um sich glaubwürdig zu machen.

Ist das die Strategie von Springer, um von den Polen akzeptiert zu werden?

Das wäre eine nahe liegende Schlussfolgerung. Aber ich bin davon überzeugt, dass man mit den antideutschen Parolen weniger gewinnt, als man glaubt.

Also täuscht sich „Superexpress“?

Ja. Medien setzen heute nicht mehr Debatten in Gang, um bestimmte Probleme zu lösen. Heute gilt der Lautere und Erfinderischere als der Bessere. Aber die Magazine gewinnen auch mit antideutschen Titelgeschichten nicht an Auflage.

Laut einer Umfrage finden nur 13 Prozent der Polen, dass sich die Beziehungen zu Deutschland in den letzten Monaten verschlechtert haben.

Deshalb waren die Witze im polnischen „Superexpress“ auch so unbeholfen. Sie trafen nicht das, was die Menschen hier fühlen. Deutsche mit Pickelhauben – das passt doch nicht mehr! Aber die Kartoffelgeschichte passt zu bestimmten Vorurteilen, die in Deutschland herrschen. Die Polen, die kommen, um Spargel zu stechen.

Haben polnische Medien Probleme, wenn sie ihre eigene Regierung angreifen?

Sicher. Es gibt eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, dass Beleidigungen geahndet werden dürfen.

Was heißt das für Ihre tägliche Arbeit?

Man überlegt genau, wo die Grenze zwischen Beleidigung und legitimer Kritik verläuft. Wir hatten gerade eine interessante Debatte. Eine linke Journalistin sagte, die alte Zensur werde wieder eingeführt, ein anderer meinte, es gebe Persönlichkeitsrechte, die geschützt werden müssen. Damit hat er nicht Unrecht.

Wird dieses Urteil den Journalismus einschränken – oder glaubwürdiger machen?

Das kommt drauf an. Es kann glaubwürdig machen. Unsere Journalisten sind mittlerweile genauso emotionalisiert wie die Politiker. Der Ton ist brutal geworden. Ich kann mir auch vorstellen, dass das Urteil faktische Zensur bedeutet. Wir haben solche Fälle gehabt.

Ein Beispiel?

Die Journalistin Manuela Gretkowska hat ironisch über den Präsidenten in einem Lifestylemagazin geschrieben. Dieser Text wurde aus der gesamten Ausgabe entfernt. Auf Wunsch des Präsidentenbüros.

Zurück zum Satirekrieg. Hätte es dazu auch kommen können, wenn der sozialdemokratische Amtsvorgänger Kwasniewski noch an der Macht wäre?

Der Konflikt wäre nicht so personalisiert worden. Aber auch zur Zeit Kwasniewskis galten die Polen in Deutschland als Autodiebe. Man hatte Angst vor dem unheimlichen Nachbarn. Erst klauen die unser Schlesien, dann unsere Autos, jetzt unsere Jobs. Das polnische Problem heißt: Wie lebt man mit dem Stärkeren? Das deutsche: Wie lebt man mit dem Schwächeren? Diese Nachbarschaft ist die schwierigste in Europa: Wegen der neuen Grenzen und Disproportionen.

Ein anderes Land als Lachobjekt wäre demnach nicht möglich?

Niemals! Dass über uns gelacht wird, zeigt einfach, dass wir noch nicht angenommen werden.

Auf wem hacken denn die Polen rum?

Auf sich selbst. Die alten Witze „Ein Pole, ein Deutscher, ein Russe, ein Amerikaner im Flugzeug ...“ gibt’s nicht mehr.

Und die polnischen Tschechen-Witze?

Das ist auch vorbei. Stattdessen gibt es eine populäre TV-Show „Man kann Europa gern haben“ – mit in Polen lebenden Ausländern, die mit Vorurteilen und Klischees spielt. In der ist Steffen Möller, ein Deutscher, der Star.

Das Gespräch führte Alice Bota.

Adam Krzeminski ist Publizist und Redakteur des polnischen Magazins „Polityka“. Nächste Woche erhält er den Viadrina-Preis für seine Verdienste um die deutsch-polnische Verständigung.

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