zum Hauptinhalt
Alexander Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau).

© NDR/Christine Schroeder

Polizeiruf 110: Rostocker Panorama

Diesen Sonntag muss der ARD „Polizeiruf 110 – Einer trage des anderen Last“ ohne Anneke Kim Sarnau auskommen. Folgt jetzt die große Charly Hübner Show?

Ein Gefangenentransport wird überfallen, zwei Ganoven in Polizeiuniform zerren den Häftling aus dem Wagen, misshandeln und töten ihn. Als Alexander Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) zum Tatort eilen, wird König angeschossen, fällt unglücklich mit dem Kopf auf einen Stein und wird im Krankenhaus ins künstliche Koma versetzt. Die Rostocker „Polizeiruf“-Folge „Einer trage des anderen Last“ ist außergewöhnlich, nicht nur weil mit Profilerin König eine der beiden Hauptrollen nahezu ausfällt. Der Grund: Darstellerin Sarnau war im Mai 2011, als der Film gedreht wurde, schwanger.

Man könnte meinen, nun folgt die große Charly-Hübner-Show. Sein Bukow wirkte schon in den bisherigen Folgen wie ein Getriebener, immer unter Druck, immer in Bewegung. Getrieben auch von König, die als interne Ermittlerin Bukows frühere Kontakte zu einem Gangsterboss aufzuklären hatte. Zwischen beiden sprühen die Funken, da ist Anspannung, Ärger, wohl auch versteckte Sympathie – kein Ermittlerteam der deutschen Krimi-Szene erzeugt durch Reibung derart viel Hitze wie Bukow/König. Ein Fest für Schauspieler von der Qualität eines Hübner und einer Sarnau, die in diesem Jahr beide für den Grimme-Preis nominiert sind.

Ohne König schaltet Bukow keineswegs einen Gang runter, im Gegenteil. Er fühlt sich schuldig, weil er König aus den Augen verloren hatte. Außerdem fällt ihm Königs Ermittlungsbericht zu seinem Fall in die Hände. Demnach wollte sie ihn offenbar von den Vorwürfen reinwaschen. Bukow sitzt nun oft an ihrem Krankenbett, und statt nach Dienstschluss zu Frau und Kindern zu gehen, schläft er im Büro. Denn er will die Täter unbedingt finden, so unbedingt, dass er seine Aggressionen kaum zügeln kann. Wie der Druck im Kessel steigt, spielt Hübner mit seiner bedrohlichen Präsenz phänomenal.

Als Solo-Show für Hübner haben Autor Eckhard Theophil und Regisseur Christian von Castelberg diese spannende, intensive Geschichte um ein Gangster-Quartett, das vor Jahren durch einen Überfall ans große Geld gekommen war, dennoch nicht angelegt. Die latente und bisweilen ausbrechende Gewalt in dieser Folge ist beachtlich, doch die realistisch wirkende Milieu-Zeichnung wird durch eine ganze Reihe origineller Figuren abgemildert. Beängstigend irre ist der Auftritt Gerdy Zints, der den völlig ausgetickten, unkontrollierbaren Lewandowski spielt. Wunderbar schmierig dagegen sein Kumpel Hansen (Hans Löw). Sadist und Saubermann, was für ein schräges Ganoven-Duo.

Auch Bukows Kollegen, der besonnene Thiesler (Josef Heynert) und Einzelgänger Pöschel (Andreas Guenther), springen für König in die Bresche und gewinnen an Format. Pöschel hat als verdeckter Ermittler im Gefängnis eine wahre Sternstunde. Der sonst so betont coole Draufgänger erweist sich als clever und verdient sich das Vertrauen seines Zellengenossen – mit Gute-Nacht-Geschichten. Eine kuriose Idee, aber nicht nur deshalb wirken die Gefängnis-Szenen weniger klischeehaft als in vielen anderen Krimis.

Und dann ist da noch, als traurige Besonderheit, der letzte Auftritt von Maria Kwiatkowsky in einem Fernsehfilm. Die trotz ihres Alters von 26 Jahren bereits vielfach ausgezeichnete Schauspielerin, Ensemble-Mitglied der Berliner Volksbühne, starb nur wenige Wochen nach den Dreharbeiten. Mit ihrer eigenwilligen und irgendwie schiefen Art komplettiert sie hier das Rostocker Milieu-Panorama. Kwiatkowsky spielt die Schwester des getöteten Häftlings, eine mehrfach vorbestrafte, aber geläuterte Frau, die noch einige Geheimnisse aus der Vergangenheit mit sich herumschleppt. Und damit Bukow ganz ähnlich ist.

„Polizeiruf 110: Einer trage des anderen Last“; ARD, Sonntag 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false