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Kriminalgericht Moabit, 1972. Hans-Christian Ströbele (links) und Otto Schily (rechts) verteidigen ihren Kollegen Horst Mahler gegen den Vorwurf der Mitgliedschaft in der RAF. Foto: WDR/pa/dpa

© WDR/picture alliance/dpa

Porträt: Drei für Gerechtigkeit?

„Die Anwälte“: Mahler, Schily, Ströbele in einer spannenden Dokumentation, die ihren Protagonisten nur über Umwege nah kommt.

Am Anfang ist ein Foto eingeblendet, drei Männer sitzen auf Stühlen im Landgericht Moabit, es ist das Jahr 1972. Am Ende des Films werden fast vierzig Jahre vergangen sein, wieder stehen drei Stühle im Gerichtssaal, dieses Mal sind sie leer.

Zwischen diese Bilder setzt Birgit Schulz ihre Dokumentation über Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler. „Die Anwälte“ heißt der Film, Anwälte waren sie alle drei einmal, vereint im Engagement für die RAF. Ströbele verteidigte Andreas Baader, Schily Gudrun Ensslin, beide verteidigten Mahler, der die RAF mitgründete, aus dem Prozess stammt das Foto. Später schlugen sie unterschiedliche Wege ein. Schily wurde Innenminister der Bundesrepublik, Ströbele ihr grünes Gewissen und Mahler ein unverbesserlicher Holocaustleugner.

Die gute Nachricht über den Film ist: Die Regisseurin versteht ihr Handwerk. Das zeigt schon der formale Ehrgeiz, mit dem sie Anfangs- und Endbild in Bezug setzt. Weiterhin verzichtet Schulz größtenteils auf einen Kommentar und lässt Bilder sprechen, neben den Interviewsequenzen hat sie beeindruckendes Archivmaterial gefunden, geschickt kombiniert sie Tonspur und Bilder. Die schlechte Nachricht aber ist: Ihre drei Protagonisten kennen sich auch aus mit dem Medium Film und vor allem mit der Disziplin Selbstdarstellung. Deshalb kommt der Film ihnen nur über Umwege nah.

Schulz will, dass Schily, Ströbele und Mahler Position beziehen, die Stühle symbolisieren es. Die drei sollen Auskunft geben über die Brüche in ihrem Leben, aber Widersprüche hat kein Mensch gern, lieber arbeitet man Kontinuitäten heraus. Schily sagt, es sei ihm damals wie in seiner Zeit als Innenminister immer nur um den Rechtsstaat gegangen. Mahler, der zwischenzeitlich der NPD angehörte, sagt, er habe nicht das Gefühl, er sei von links nach rechts gegangen. Ströbele ist ein Sonderfall. Er sagt, er koche gern Marmelade ein und sei als Kind über nichts so aufgewühlt gewesen wie über Ungerechtigkeit.

Um die Aussagen einordnen zu können, muss man etwas über die Entstehungsgeschichte des Films wissen. Zwei Jahre hat es gedauert, bis Schulz die drei Männer gewonnen hatte, im Fall von Schily erreichte die Regisseurin den Politiker nach einem ersten Kontakt anderthalb Jahre nicht. Für das Interview sagte er ihr etwa sechs Stunden zu, Mahler ein bisschen mehr, Ströbele weniger. Im echten Leben meiden die Männer einander, augenscheinlich wollen sie keine Auseinandersetzung, keine Erschütterung. Das zeigt sich auch über Strecken im Film, vor allem, wenn die Protagonisten auf direkte Fragen reagieren. Aber es gibt auch Momente, in denen sie ihre Vorsicht fallen lassen. Schily zum Beispiel sagt über die Toten von Stammheim, die Menschen, die da umgekommen seien, die hätten einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten können.

Denkt man sich die reißerische Musik weg, kann man der Regisseurin zum Film gratulieren. Zwischen drei leeren Stühlen eine lebendige Geschichte zu finden, ist schwer. Zum Glück hat Birgit Schulz es versucht. Verena Friederike Hasel

„Die Anwälte“, 22 Uhr 45, ARD

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