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Auf und Ab. Erika Pluhar hat mit Privatleben und Kunst Schlagzeilen gemacht.Foto: HR

© HR/Ferdinand Zecha

Porträt: Wissen, was kommt

„Ich lebe zwischen Träumen und Erfindungen“ – eine Doku zum 75. Geburtstag von Erika Pluhar.

Ganz zu Beginn, da sitzt sie auf der Konzertbühne, die Musik setzt ein, und sie fragt ins Mikrofon: „Gibt’s jemanden, der weiß, was jetzt kommt?“ Dann lacht sie ihr dunkles, raues Lachen. Das Phänomen Erika Pluhar. Sie ist bekannt, sie ist Schauspielerin, ist Sängerin, ist Autorin, sie hat durch ihr Privatleben unfreiwillig Schlagzeilen gemacht – und doch stellt sich der Eindruck ein, wenig Konkretes über sie zu wissen. Der Star aus Helmut Käutners Maupassant-Verfilmung „Bel Ami“. Das Schönheitsideal der 60er Jahre. Femme fatale und Emanze. Daher auch schwer greifbar. Umso größer die Neugier auf diese lebenskluge Frau.

Doch der anderthalbstündige Dokumentar-Langfilm „Erika Pluhar – Trotzdem. Mein Leben“, zu ihrem 75. Geburtstag am 28. Februar, beantwortet diese Frage nicht. Obgleich die Autorin Sigrid Faltin („Kinder! Liebe! Hoffnung!“) die Pluhar überallhin begleitet, auch in ihrem geliebten Haus im Wiener Viertel Grinzing drehen darf, sie im Burgtheater und auf Lesungen und Konzerten und im altehrwürdigen Wiener Café Demel zeigt, stellt sich keine Konkretheit ein. Erika Pluhar ist nett und höflich und fröhlich, sie lacht und erzählt und plauscht vor allem selbst mit den Interviewpartnern wie Ex-Ehemann André Heller oder Burg-Direktor Achim Benning. Doch die Wirkung all dessen ist eher Distanz und Unnahbarkeit.

Erika Pluhar, das sagt sie selbst offen im Film, ist von den Medien nicht gut behandelt worden. Als ihre Liebe, der tablettensüchtige Schauspieler Peter Vogel, seinem Leben 1978 ein Ende setzt , da trampeln die Reporter auf Vogels „grauenvoller Beerdigung“ (Pluhar) auf den Gräbern herum. Wenn sie nun etwa über Claus Peymann nicht sprechen will und es eben doch ganz kurz macht – Pluhar beendete ihre Theaterkarriere am Wiener Burgtheater 1999, als Peymann die Leitung übernommen hatte –, dann sagt sie unverhohlen, die Filmautorin habe sie dazu gezwungen. Die Dokumentation ist weder linear noch chronologisch gehalten, die biografischen Lebensstationen werden von Faltin nicht nacheinander behandelt. Vielmehr wird Erika Pluhar im Heute und Hier gezeigt.

Doch das Resultat ermüdet, Erika Pluhar findet sich stets im Gespräch mit Familie und Freunden, darunter Schauspielkollegin Heidelinde Weis, es wird durcheinandergeredet, die Momentaufnahmen sind nicht sonderlich ergiebig. Die Szenerie etwa im traditionsreichen Café Demel am Kohlmarkt in Wiens Innenstadt zeigt die Pluhar mit Rüdiger Proksch, dem Bruder ihres verstorbenen ersten Ehemanns, des Unternehmers und Designers Udo Proksch, sowie mit Prokschs Schwester Rodtraut. Es bleibt eher beim Plauderton. Wenig Konkretes. Der Proksch-Bruder sagt fast keinen einzigen Satz.

Der Netzwerker Udo Proksch, der das Café Demel Anfang der 1970er Jahre kaufte, wurde 1992 als Drahtzieher des „Falls Lucona“ wegen sechsfachen Mordes verurteilt. Er starb 2001 in der Grazer Strafanstalt. Es ist eines der schmerzhaften Kapitel im bewegten Leben der Erika Pluhar. Über den frühen Tod ihrer und Prokschs einziger Tochter Anna, die 1999 mit 37 Jahren im Familienhaus in Grinzing starb, verliert sie nahezu kein Wort. Bilder sind von Anna zu sehen und alte Archivaufnahmen eines Gesprächs von Mutter und Tochter. „Ich lebe zwischen den Träumen und den Erfindungen“, sagt die Pluhar einmal, und später, „es gibt immer nur die Gegenwart“. Ihre dunkle, sonore Stimme mit dem charmanten Wiener Singsang hat dabei etwas Melancholisch-Wehmütiges.

Erika Pluhars jüngstes Buch, im Herbst 2013 erschienen, trägt den Titel „Die öffentliche Frau“. Nach diesen langen 90 Minuten zumindest bleibt die Frage weiterhin bestehen: „Gibt’s jemanden, der weiß, was jetzt kommt?“ Thilo Wydra

„Erika Pluhar – Trotzdem. Mein Leben“, ARD, Dienstag, 22 Uhr 45

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