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Medien: „Product Placement ist die Zukunft“

Der TV-Spot wird 50: Medienforscher Friedrichsen über interaktive Werbung und Soaps von Ikea

Herr Friedrichsen, die Fernsehwerbung wird 50. Ihre Glückwünsche?

Glückwunsch, dass sie jahrelang auf dem hohen Niveau erfolgreich und innovativ geblieben ist und nicht an Attraktivität verloren hat.

Hat sich so viel verändert in den letzten 50 Jahren?

An der Werbung können Sie die gesellschaftlichen Entwicklungen ablesen!

Zum Beispiel?

Nehmen Sie die Waschmittelwerbung. In ihr spiegeln sich wunderbar die jeweiligen Werte der Zeit wieder, obwohl das Produkt identisch geblieben ist. Aber man sieht, wie die Rolle der Frau und die Wertvorstellungen der jeweiligen Zeit angepasst wurden.

Ihre Glückwünsche überraschen ein wenig. Sie vertreten die These, dass es Werbung in der Form nicht mehr geben wird.

Warum überraschend? Das war der Rückblick. Der Blick nach vorne zeigt, dass wir durch neue digitale Möglichkeiten – wie beispielsweise durch den Personal Video Recorder – eine völlig neue Medienwelt vorfinden werden. In zehn, fünfzehn Jahren wird das Fernsehen nicht mehr das sein, das wir heute kennen. Daran wird sich die Werbung zwangsläufig anpassen müssen.

Was wird das für die Werbung bedeuten?

Werbung wird interaktiver. Der Konsument wird Werbung mitgestalten, wenn die technischen Fortschritte tatsächlich umgesetzt werden und das Fernsehen personalisierter wird. Sprich: Ich habe Einfluss auf die Werbung, indem ich selbst entscheiden kann, wann ich Werbung in welcher Form haben will. Dadurch wird der klassische Werbespot zu einer ganz neuen Form kommen. Darin sehe ich eine Riesenchance.

Für die Werbung?

Sicher, sie kann dann den Konsumenten direkt ansprechen. Die Werbung, wie sie jetzt ist, hat sehr hohe Streuverluste, weil sie auf die Massen abzielt. Wenn man aber 300 Programme hat, wie will man da noch Massenwerbung machen? Dann werden die Werbestrategen genau auf das Programm schauen und die Spots auf die Zielgruppe abstimmen. Die Zielgruppen sind ja gut fassbar.

I m letzten Jahr sind trotzdem über drei Millionen Werbespots ausgestrahlt worden. Verschlafen die Werbestrategen etwas?

Nein, es wird diesen Wandel der Werbung nicht von heute auf morgen geben. Solange es die gängigen Formate gibt, wird sich wenig ändern und der Werbespot wird weiter existieren. Aber in Zukunft wird man Werbung wegschalten können, darauf wird man reagieren müssen. Man wird sich dann interaktiv alles besorgen können. Nehmen Sie zum Beispiel „Wetten, dass...?“ und Haribo. Wer die Sendung schaut, wird direkt eine Haribo-Tüte bestellen können. Ich denke, dass Product Placement eine Entwicklung sein wird.

Product Placement wird auch Schleichwerbung genannt. Die hat in Deutschland einen schlechten Ruf.

Unternehmen werden diesen Weg bei bestimmten Formaten gehen. Wir sehen das doch jetzt schon bei den Vorabendserien – das sind Werbeplätze. In Zukunft wird das sicher differenzierter erfolgen. Die gesetzlichen Bestimmungen werden sich an europäische Normen anpassen.

Dass ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf wegen der Becel-Affäre gehen musste, wäre in fünf Jahren undenkbar?

Es wird zunehmend für weniger Anstoß sorgen, weil es normaler werden wird.

Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen?

Wenn die Öffentlich-Rechtlichen konkurrenzfähig bleiben wollen bei der Werbevermarktung, wird ihnen gar nichts anderes übrig bleiben. Wäre schön, wenn man sagen könnte, man braucht kein Product Placement. Aber seien wir mal ehrlich: Wenn Sie an Derrick denken, dann denken Sie doch an BMW. Das ist doch Heuchelei. BMW ist für mich immer verbunden mit Derrick.

Warum regt sich darüber niemand auf?

Man hat Product Placement bislang nicht wahrgenommen, weil es nie so ein Thema war. Jetzt wird es durch die aufdringliche Produktvermarktung bei den Privaten erst richtig bewusst. Ich bin mir sicher, dass wir bald Soap Operas sehen werden, die von Firmen produziert werden. Wir haben schon ein Konzept entwickelt für Ikea.

Das Gespräch führte Alice Bota.

Mike Friedrichsen ist Medienökonom. Er ist Professor an der Universität Flensburg und Herausgeber des Buches „Kommerz-Kommunikation-Konsum. Zur Zukunft des Fernsehens“.

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