zum Hauptinhalt
Post vom Beitragsservice macht nicht alle froh. Häufig sind es Mahnbescheide.

© dpa

Protest unter Brücken: Rundfunkbeitrag? Nicht mit uns

„GEZ-Boykott“: In Berlin ruft eine Initiative zu Aktionen am Wochenende und zum Aktionstag am 10. Oktober auf

Im Allgemeinen pflegen Menschen nicht freiwillig unter Brücken zu schlafen. Wenn es in der Nacht vom 5. auf den 6. September unter der S-Bahn-Brücke Dorotheen- Ecke Plankstrasse dennoch geschieht, dann müssen schon besondere Beweggründe dahinterstecken. Es sind Mitglieder eines runden Tisches, die so unter dem Stichwort „GEZ-Boykott“ gegen die aus ihrer Sicht ungerechte Beitragspraxis von ARD, ZDF und Deutschlandradio demonstrieren wollen. Die Initiative wurde von Oliver Marquardt und Michael Schmitzdorf gegründet. Im Schnitt treffen sich einmal im Monat so zwischen 20 und 25 Leute, ganz gemischt, vom Arbeitslosen bis zum Akademiker. Unzufriedenheit und Verärgerung sind groß, seit vor über zwei Jahren die Beitragsfinanzierung von Rundfunkgeräten auf gemeldete Haushalte umgestellt wurde und man nun nicht mehr wie vorher für die Inanspruchnahme, sondern für die Bereitstellung des Angebotes bezahlen soll. „Das ist, als wenn man in den Supermarkt geht und dafür bezahlt, dass die Waren im Regal liegen“, sagt der studierte Physiker Marquardt. „Mit der Brücken-Aktion wollen wir symbolisch eine der ganz wenigen Möglichkeit aufzeigen, den Rundfunkbeitrag noch auf legalem Wege zu umgehen: die Obdachlosigkeit.“

Klagen kostet 130 Euro

Die Beweggründe, weshalb die Leute mitmachen, sind unterschiedlich. Da gibt es die tatsächliche Geldknappheit, bei der dann 17,50 Euro Beitrag im Monat schon viel sind. Andere wären durchaus bereit, für das, was die Sender als ihren Programmauftrag verstehen, zu bezahlen. „Viele haben kein Verständnis dafür, dass sie mit abgepresstem Geld üppige Moderatorengagen oder Fernsehfilme sponsern sollen, in denen zunehmend prominenter Schauspielernachwuchs untergebracht wird“, sagt Schmitzdorf.

Als reines Groll-Kränzchen verstehen sich die Teilnehmer nicht. Sie versuchen einander zu helfen, wie etwa beim Schriftverkehr. „Es ist durchaus gang und gäbe, dass Mahnungen noch vor dem Beitragsbescheid kommen, auf Mahnungen braucht aber nicht reagiert zu werden, solange kein Beitragsbescheid eingegangen ist“, sagt Oliver Marquardt. „Überhaupt raten wir denen, die 130 Euro erübrigen können, ganz gerne zum Klageweg. Mehr kostet der Weg bis zur ersten Instanz, dem Verwaltungsgericht, auch bei ungünstigem Ausgang nämlich nicht, und es kann aufschiebende Wirkung haben.“ „Klagen statt zahlen“ könne durchaus eine Form von Öffentlichkeitsarbeit sein.

Die Gerichte erklären Beitrag für rechtens

Die Chancen, sich auf dem Rechtsweg des als ungerecht empfundenen Beitrags entledigen zu können, sind gering. Nach Einschätzung verschiedener Steuer- und Medienrechtler handelt es sich bei der Haushaltsabgabe zwar faktisch um eine Steuer, die aber so die Länder der Rundfunkanstalten gar nicht hätten erheben dürfen. Nur sind die Verwaltungsgerichte dem bisher nicht gefolgt. Sie sehen in den Beitragsgebühren einen legitimen Ausgleich für besondere zur Verfügung gestellte Vorteile, ohne dass diese auch tatsächlich in Anspruch genommen werden müssen.

„Letzten Endes wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen“, sagt Ermano Geuer, Jurist und einer der ersten Kläger gegen den Rundfunkbeitrag. „Es ist ja bekannt dafür, dass es sich seine Rechtsauffassung nicht von den Verwaltungsgerichten diktieren lässt.“ Es brauche aber einen langen Atem, um das bis zur letzten Instanz durchzufechten.

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten verweisen darauf, dass vor Landesverfassungsgerichten wie etwa Bayern und Rheinland-Pfalz Klagen der Beitragsgegener abgewiesen worden seien. „Der Rundfunkbeitrag sichert die unabhängige Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dessen Aufgabe es ist, zur freien Meinungsbildung und Meinungsvielfalt in unserer Demokratie beizutragen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem Solidarprinzip und unabhängig vom persönlichen Nutzungsverhalten zu regeln, trägt dem Wandel der individuellen Mediennutzung Rechnung und trägt maßgeblich zur Beitragsgerechtigkeit bei“, argumentiert Christian Greuel von der Beitragskommunikation.

So darf sich Stefan Wolf, Leiter des Beitragsservice, in seinem Geschäftsbericht 2014 über eine „positive Beitragsentwicklung“ freuen, die freilich noch der verstärkten Monetarisierung bedarf. Im Klartext bedeutet das, dass zum Jahresende 2014 rund 890 000 Vollstreckungsersuchen gegen säumige Beitragszahler anhängig waren, darunter dürften sich viele befinden, die von dem neuen „Pro-Haushalt-Modell“ nicht überzeugt sind. „Das belegt doch, dass wir in unserem Kampf nicht alleine sind“, sagt Oliver Marquardt. Nach der Brücken-Aktion soll es am 6. September eine Mahnwache vor dem Paul-Löbe-Haus in Berlin und am 10. Oktober dann einen deutschlandweiten Aktionstag geben. Michael Lösch

Michael Lösch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false