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Medien: Prüfling Merkel

Die CDU-Kanzlerkandidatin bei „Berlin Mitte“

Kein Apricot, kein Strahlen. In dunklem Hosenanzug, mit einem „Die-Lage-isternst-Gesicht“ ließ sich die Kanzlerkandidatin von Maybrit Illner vernehmen. Die nahm einen langen Fragenkatalog durch: von tagesaktuellen Wahlkampfquerelen bis zum Programm. Angela Merkel gab Antworten, Zug um Zug. Sie machte es ordentlich, sagte, was zu sagen war, kaum Neues. Selten aber stand ein Fernsehgespräch so wenig für sich selbst. In Wirklichkeit war es ein Fernduell mit der „Gerd-Show“ bei Sabine Christiansen.

Signifikant zunächst: Maybrit Illner behielt die Zügel in der Hand. In der Form sind alle Fragen forsch; in der Sache aber – ob bei der Gesundheitsprämie oder dem Irak-Krieg – mag auch sie dem Gast nicht allzu sehr zusetzen. Merkel antwortet sachlich, ohne je zu brillieren. Bei den Gesundheitskosten weicht sie aus; beim Irakkrieg tut sie, als habe sie nur die Einheit Europas achten wollen. Zu ihrem Schattenkabinett („Kompetenzteam“) mag sie nichts sagen. Das war vereinbart worden. Ohne sich explizit gegen ihn zu stellen, distanziert sich Angela Merkel deutlich von Edmund Stoibers Ost-Äußerungen. Für Pressemeldungen ist gesorgt. Sie selber ist froh, nicht mehr als Vertreterin von Ostinteressen zu gelten.

Einmal, beim Verweis auf die geringe Zahl der SPD-Ministerpräsidenten, die überhaupt noch widerspenstig sein könnten, ist sie sogar schlagfertig. Ansonsten neigt sie ein wenig zur Floskel, dreht gegen Rot-Grün etwas auf, findet nicht immer ganz das richtige Wort. Da werden Folgen der Steuerpolitik „gebrandmarkt“, darf „das Elend nicht weitergehen“, ist Horst Seehofer gnädig „ein talentierter Unionspolitiker“. Zu aufdringlich freuen sich die einbestellten Claqueure, wenn Sätze mit einer Pointe enden.

Gerhard Schröder hatte ja nicht nur elegant die Moderatorin beiseite geschoben, ohne dass es unanständig wirkte, sondern durch die Dompteursgeste Jovialität auch die als reißende Tiger einbestellten Experten in schnurrende Kätzchen verwandelt. Passend zur lutheranisch festen Selbstdarstellung gelang ihm aus dem Stegreif sogar fast so etwas, wie eine Idee seiner Regentschaft zu vermitteln.

Das fehlt bei Merkel. Sie sagt dann „soziale Marktwirtschaft“. Statt Experten gibt es eingespielte O-Töne und Grafiken. Auch dadurch wird alles unpersönlicher. Es dauert 22 Minuten, bis Angela Merkel ihre Prüferin erstmals direkt anspricht. Dass sie weder mit Frau Illner noch mit der Kamera flirtet, war zu erwarten. Sachlichkeit kann ja von Vorteil sein. Aber sie kommuniziert auch nicht. Es blitzt nichts auf. Es wird kein Gespräch. Sie magnetisiert nicht. Stattdessen sagt sie auf: „Die Menschen brauchen wieder Hoffnung.“

Soll das der heiße Schicksalswahlkampf sein? Im ZDF-„Gänsehaut-Sommer“? Zunächst einmal wollte die Kandidatin wohl eine Prüfung bestehen. Noch ist da ein Abstand zwischen Prüfling und Kanzlerschaft. Anrührend, nicht herrschaftlich wirkte so auch der Schluss: „Wir freuen uns auf die Zukunft Deutschlands.“

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