zum Hauptinhalt
Reporter auf Abruf: Noch berichten der ZDF-Korrespondent Johannes Hano (im Bild) und sein ARD-Kollege Philipp Abresch aus Tokio.

© Tsp

Radioaktive Wolke: Sender beginnen Evakuierung

Das ZDF fliegt erste Mitarbeiter aus Japan aus, für andere sind Flüge gebucht. Derweil versuchen die japanischen Medien, die Bevölkerung zu beruhigen.

Möglichst nah dran zu sein am Ort des Geschehens, das gehört für Reporter zum Arbeitsalltag. Doch in Japan bleiben viele Korrespondenten auf Sicherheitsabstand. Kein Journalist der deutschen Sender ARD, ZDF und RTL sowie der Nachrichtenmagazine „Spiegel“ und „Stern“ hält sich derzeit in der Umgebung der Atomkraftwerke in Fukushima auf.

Denn dreht der Wind am Dienstag wie erwartet, könnte eine radioakative Wolke innerhalb von Stunden die 35-Millionen-Metropole Tokio erreichen, die nur etwa 250 Kilometer von Fukushima entfernt ist. Das ZDF hat begonnen, erste Mitarbeiter auszufliegen. Von den sonst 18 Beschäftigten im Studio Tokio haben sechs das Land verlassen. Die japanischen Mitarbeiter wurden nach Hongkong ausgeflogen, die deutschen in die Bundesrepublik, sagte der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen. Johannes Hano, Jörg-Hendrik Brase, ein Kameramann sowie zwei Producer sind nach wie vor in Tokio.

Der für die ARD zuständige Sender NDR hat verschiedene Szenarien für Ariane Reimers, Robert Hetkämper und Studio-Leiter Philipp Abresch und deren Teams entwickelt. Bei einer weiteren Zuspitzung wird bei der ARD genauso wie beim ZDF über eine zeitweise Verlegung ins 500 Kilometer weiter südlich gelegene Osaka nachgedacht. Eine zweite Option wäre, „das Land vorübergehend komplett zu verlassen“, sagte Andreas Cichowicz, Chefredakteur Fernsehen des NDR. Normales Arbeiten war aber auch schon zuvor kaum noch möglich. Die Korrespondenten konnten wegen der unsicheren Lage in den AKWs Tokio nicht mehr verlassen. „Philipp Abresch musste deshalb einen Dreh am Samstag abbrechen und zurückkehren“, so Cichowicz.

„Die Situation ist zu unübersichtlich, und wir wollen unsere Mitarbeiter nicht gefährden“, sagte Hans Hoyng, Leiter des „Spiegel“-Auslandsressorts. Reporter Wieland Wagner sei zwar seit Samstag in Japan, recherchiere aber einige hundert Kilometer entfernt von den gefährdeten Meilern im Süden des Landes. Täglich sei für ihn ein Rückflug gebucht, so dass er im Notfall Japan verlassen könne. Diese Sicherheitsoption gibt es auch für die zwei Teams vom „Stern“, die aus Tokio und aus den Regionen berichten, die am vergangenen Freitag von dem Erdbeben der Stärke 9,0 und dem dadurch ausgelösten Tsunami am schlimmsten getroffen wurden.

Den vier Reportern, die RTL und der Nachrichtensender n-tv vor Ort hat, ist es freigestellt, jederzeit das Land zu verlassen, sagte RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer. „Für Carsten Lueb, Roger Saha, Sascha Zebel und Nils Büngen sind täglich Flüge gebucht.“ Wie weiter berichtet werden soll, wenn die Reporter Tokio verlassen müssen, stehe noch nicht zur Diskussion. „Wenn alle raus müssen, werden wir weitersehen“, sagte Bolhöfer, dessen Sender in Japan mit Asai-TV kooperiert.

Doch unterscheidet sich die Berichterstattung in den japanischen Medien deutlich. „In deutschen Medien ist der Ton emotionaler und dramatischer“, meinte sagt Norihide Miyoshi, der seit sieben Jahren aus Berlin für „Yomiuri Shimbun“ berichtet, die größte japanische Tageszeitung mit täglich zehn Millionen verkauften Exemplaren. Shogo Akagawa, Berliner Korrespondent des Wirtschaftsblatts „Nihon Keizai Shinbun“ (Nikkei), erklärte den unterschiedlichen Ton in der Berichterstattung damit, dass „die Erinnerungen an Tschernobyl bei den Deutschen noch sehr präsent sind“.

Statt Schreckenszenarien zeigte „Nikkei“ auf der Titelseite am Montag lieber das Bild einer lachenden Frau, die einen geliebten Menschen in die Arme schließt. Auch andere Blätter füllten ihre Seiten mit Heldentaten und Hoffnungsschimmern. Die Zeitung „Asahi Shinbun“ druckte das Farbfoto einer alten Dame, die auf dem Rücken eines Rettungshelfers huckepack reitet. Bilder von Toten, Panik und Chaos sind in der Presse dagegen kaum zu finden. Die Zeitungen wollen ihre Leser beruhigen, so gut es geht.

Die Folgen des Bebens erschweren auch die Zeitungsproduktion, erzählte Akagawa. Es gebe Stromausfälle, aufgrund zerstörter und blockierter Transportwege könne Papier nicht zu den Druckereien, die Zeitung nicht zu den Abonnenten und Kiosken geliefert werden. Damit sich die Menschen trotzdem informieren können, hat „Nikkei“ seine Online-Seite freigeschaltet. Bisher hatten Nuzer 40 Euro pro Monat zahlen müssen.

Schon vor dem Beben war geplant, dass Akagawa zurück nach Japan geht. Jetzt wird er noch dringender gebraucht. „Angst vor Atomstrahlen habe ich nicht.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false