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Kid Nation

© dpa

Reality-Show: Dressierte Cowboys

Die umstrittene Reality-Show „Kid Nation“ ist im US-Sender CBS angelaufen. Darin arbeiten Kinder härter als so mancher Erwachsene. Traurigerweise ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ein deutscher Sender die Rechte an der Show erwirbt.

Rätsel über Rätsel: Warum wurde die neue Reality-Show als Welt ohne Erwachsene vorgestellt, wenn die Hauptperson der erwachsene Moderator ist? Er setzt die Regeln, er sagt den Kindern, wie sie Probleme lösen sollen. Warum hat CBS den „Gemeinderat“, der die Kinderstadt regiert, vorab ausgewählt, wenn „Kid Nation“ zeigen soll, wie Kinder sich selbst organisieren? Warum wird dieser Rat per Helikopter mit US-Army-Stern eingeflogen, wenn das Setting den Wiederaufbau der vor mehr als hundert Jahren aufgegebenen Wild-West-Siedlung Bonanza City durch Neusiedler zeigen soll? Und: Warum läuft die Serie im Abendprogramm statt zur Kinderstunde?

Den ganzen Sommer hat der Sender CBS versucht, „Kid Nation“ als das große Thema des Herbstes anzukündigen – 40 Kinder 40 Tage in einem Sozialexperiment in der Wüste von Neu Mexiko. Bis gestern war das nur ein Thema für die Medienseiten der US-Blätter. Wer sich nicht bei CBS mit Selbstbeweihräucherung berieseln ließ, hätte die erste Folge am Mittwochabend glatt verpassen können. Sie zeigte: Womit auch immer CBS und seine angeblichen Kritiker die Nation heiß machen wollten, kaum etwas stimmt. Aufgebaut wird hier nichts; die Acht- bis 15-Jährigen sind am ersten Abend schon überfordert, Nudeln für 40 Kinder zu kochen. Es gibt nur ein Plumpsklo. Einige weinen vor Heimweh.

Strahlende Kinder im Vorspann

Im Vorspann hat CBS strahlende Kinder versichern lassen, dass die Gerüchte – schlechtes Essen, fehlende medizinische Versorgung, 14-stündige Drehtage, die gegen Kinderschutzbestimmungen verstoßen – böse Verleumdung seien. Und wer hatte diese Gerüchte in die Welt gesetzt, zur Werbung?

Schwamm drüber, die Zuschauer werden nun mit rührenden Bildern versorgt, die alle möglichen Sehnsüchte bedienen: Western-Romantik, süße Kleine in Jeans und mit Cowboyhüten, die zum Teil sogar mit dem Lasso umgehen oder Ziegen melken können. Kaum ein Klischee darüber, wie die Amerikaner sich selbst, ihre Gründungsgeschichte und Gesellschaft sehen wollen, wird ausgelassen. Nicht einmal das „I have a dream“ des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King, hier muss es für den Wunsch nach einem Pfannkuchen zum Frühstück herhalten.

Arbeit im Akkord

Das Chaos der ersten 24 Stunden war nötig, lernen wir, damit die Kinder sich Tags drauf organisieren. Bonanza City wird in vier Stadtbezirke gegliedert, rot, grün, blau und gelb. In einem Wettkampf, bei dem Teamwork entscheidet, wird die Stadt in Upper Class, Geschäftsleute, Köche und Arbeiter eingeteilt, mit unterschiedlichen Löhnen, von denen man im Saloon Getränke kaufen darf. Die Gruppen müssen Bohrtürme zu „ihren“ Quellen schleppen, das farbig markierte Wasser hoch pumpen und per Eimer je drei Behälter am Spielfeldrand füllen. Und da alle vier Gruppen so toll waren, gibt es die Wahl zwischen zwei Belohnungen, entweder sieben weitere Plumpsklos oder ein TV-Gerät für alle. Manche strahlen beim Gedanken ans Fernsehen, aber die Mehrheit findet Klos wichtiger.

Man versteht nun den abendlichen Sendeplatz: Es geht nicht um Kinder, sondern darum, wie Erwachsene sie sehen wollen. Die Kleinen wirken dressiert, wie Schauspieler. Vielleicht darf man die Lehre, Klos sind manchmal wichtiger als das Fernsehen, auch auf Drehbücher anwenden. Und doch: Wird es sich vermeiden lassen, dass ein deutscher Sender meint, er müsse die Serie übernehmen?

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