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Restaurierter Stummfilm: „Die Weber“

1927 wurde das Hauptmann-Drama "Die Weber" von Friedrich Zelnik verfilmt. Jetzt ist der Klassiker hervorragend restauriert worden und bei Arte zu sehen.

Als im Mai 1927 die werkgetreue Adaption des Gerhart-Hauptmann-Dramas „Die Weber“ von Regie-Routinier Friedrich Zelnik auf die Leinwand kam, waren Publikum und Kritik angetan. Selbst die kommunistische Tageszeitung „Die Rote Fahne“ urteilte: „Der Film bringt keine Klassenversöhnung auf die Leinwand, verfälscht nichts“. Jetzt ist der Stummfilmklassiker hervorragend restauriert worden und bei Arte in neuem Glanz zu erleben: brillant in der Schärfe, in einer fast vollständigen Fassung.

Die von Kapellmeister Willy Schmidt-Gentner kompilierte Premierenmusik wurde durch eine Neukomposition Johannes Kalitzkes, einem renommierten Vertreter der Neuen Musik, ersetzt. Eingespielt von der Augsburger Philharmonie, verleiht diese den expressionistischen Elementen (Masken und Zwischentitel stammen von George Grosz) und dem theatralischen Pathos des Films eine frische, polyphone Note.

Die strenge Dramaturgie, die sparsamen Kamerabewegungen reflektieren die klassenkämpferische Atmosphäre der Weimarer Republik. Unverkennbares Vorbild der „Weber“: Eisensteins agitatorischer „Panzerkreuzer Potemkin“ und Pudowkins „Die Mutter“. Ko-Autor Willy Haas arbeitet das frühindustrielle Elend, den Aufstand der schlesischen Baumwollweber gegen den verhassten Fabrikanten Dreißiger (fast minimalistisch-dezent: Paul Wegener) überzeugend heraus.

So mündet der durch einen heimkehrenden Soldaten (Wilhelm Dieterle als Rädelsführer Moritz Jäger) organisierte Widerstand der Hungerlöhner in die wutentbrannte Zerstörung der Fabrikantenresidenz. Den Straßenkampf gegen eine Militärkompanie führt dann bezeichnenderweise eine militante Frau (Dagny Servaes) an. Die Botschaft vom Strukturwandel der Gesellschaft, vom Autoritäts- und Realitätsverlust der reichen Oberschicht, der Kirche (eine Figur des Gekreuzigten steht zwischen den Fronten) und der Staatsmacht (Polizei und Militär) erschöpft sich nicht in bloßer Agitation, sondern reflektiert auch die evolutionäre, humane Perspektive. Parallelen vom Weberaufstand des Jahres 1844 zur Gegenwart – zur Globalisierungs- und Mindestlohndebatte etwa – sind unübersehbar. Josef Nagel

„Die Weber“, 0 Uhr 25, Arte

Josef Nagel

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