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Retro-TV: Komm, spiel mit mir!

„Dalli Dalli“, „Die Pyramide“, demnächst „Der große Preis“ – die großen Show-Klassiker kehren zurück. Fällt den Formatentwicklern nichts mehr ein?

Ansteigende Fanfaren, ähnlich schwungvolle Melodie wie bei „Wetten, dass..?“, hätten Sie’s gewusst: Das ist die Titelmusik der alten ZDF-Show „Die Pyramide“, geschrieben von Gershon Kingsley. Auf Youtube finden sich erstaunlich viele Sendungen und Kommentare zu diesem Klassiker der Fernsehunterhaltung. Darunter eine Ausgabe vom 8. September 1991. Dieter Thomas Heck lädt eine Zuschauerin zusammen mit dem jungen Heiner Lauterbach auf die Bühne, wo Begriffe gestisch oder mit Umschreibungen darzustellen und vom Gegenüber zu erraten sind. Ja, es stimmt schon, Fernsehen ist manchmal gar kein Gegenteil von Langeweile mehr, sondern Langeweile an sich. Aber selten ist diese Langeweile so harmlos-elegant, quasi mit menschlicher Wärme dahergekommen wie beim Begrifferaten mit Heck. Dem Mann ist oft Unrecht angetan worden.

Ab Montag wird „Die „Pyramide“ neu aufgelegt. Nicht mit Dieter Thomas Heck, sondern dem Moderator Micky Beisenherz, auf ZDFneo. Der 35-Jährige hat sich durch seine bisherigen Jobs nicht unbedingt für die Nachfolge von Dieter Thomas Heck empfohlen. Beisenherz ist bekannt für recht deftige Zoten, schreibt Dirk Bach und Sonja Zietlow die fiesen Kommentare im „Dschungelcamp“. Vergleichbar seien diese beiden Formate nicht, sagt Beisenherz, „aber ich möchte, dass alle Spaß haben und sich bei mir wohlfühlen. Und wenn sie das tun, dann können sie die eine oder andere Spitze sicher gut vertragen.“ Es wird also ungemütlicher werden für die Gäste in der neuen „Pyramide“. Unter anderem haben sich Oliver Pocher und Christine Neubauer zum Begrifferaten angesagt. Wer halt alles als Promi so kommt, in eines der zahllosen Quiz-Show-Formate von ARD über ZDF bis Sat1.

Mit Beisenherz hat das ZDF die Generation Internet im Blick, ohne die alten Zuschauer zu vergraulen. Denen beim Fernsehen fällt ja nichts mehr ein, werden Kritiker sagen. Andreas Gerling, ZDF-Leiter Quiz, entgegnet, ein Klassiker der deutschen Fernsehunterhaltung kehre zurück. Zwischen 1979 und 1994 war „Die Pyramide“ mit 155 Ausgaben eine der beliebtesten ZDF-Shows. Bis heute gehöre sie zu den drei langlebigsten und erfolgreichsten Gameshows weltweit, war auf allen Kontinenten populär.

Die Wiederbelebung traditionsreicher Spielshows aus den 1970er und 1980er Jahren hat im Fernsehen Konjunktur. Allem Neuen zum Trotz – es gibt offenbar ein retroanfälliges Publikum in Deutschland, das sich nach der guten alten Fernsehzeit ohne Castingkram, Bloßstellungen oder Scripted Reality sehnt, abzulesen auch an zahllosen Seiten im Internet. Wie zum Beispiel retro-tv.de, ein Online-Portal, das sich mit alten Shows, Filmen und Serien befasst.

Ute Biernat, Geschäftsführerin der Produktionsfirma Grundy Light Entertainment, hofft seit Jahren auf eine Rückkehr dieser Formate und wird nicht müde, das zu betonen. „Ich glaube fest an die Renaissance der täglichen Gameshow“, sagte sie bereits vor einigen Jahren. Später wiederholte sie im DWDL.de-Interview: „Die meisten haben Angst, dass es altes Fernsehen ist. Ich kann Bedenkenträger verstehen: Die Sendungen von damals würden genau so eins zu eins heute nicht mehr funktionieren.“ Die Ideen dahinter seien aber stark.

Das sieht auch der NDR so. Die Wiederbelebung des ZDF-Formats „Dalli Dalli“ im NDR war ungewöhnlich genug, auch wenn dessen Moderator Kai Pflaume nicht in die zotige Jung-Moderatoren-Kategorie à al Micky Beisenherz gehört. „,Dalli Dalli’ wurde vom Publikum hervorragend angenommen“, sagt eine NDR-Sprecherin. Die erste Staffel 2011 erreichte in Norddeutschland im Schnitt 9,5Prozent Marktanteil. Am 20. Juli starteten sechs neue Folgen, mit über zehn Prozent Marktanteil im Norden. „Ein großer Grund dafür ist, dass wir uns sehr nah an dem, was sich Hans Rosenthal mal ausgedacht hat, bewegen“, sagt Pflaume. Man habe ein Gefühl zurückgebracht: schönes Fernsehen, Spiel, Spaß, Spitze.

Dahinter steht wohl ein Sehnen der Zuschauer nach der guten alten Zeit, ohne Euro-Krise und dergleichen. Er wisse nicht, ob „Die Pyramide“ zur Euro-Rettung beiträgt, sagt Beisenherz. „In der Tat ist eine gewisse Grundübersichtlichkeit manchmal vielleicht ganz schön.“ Das ZDF glaubt daran. Nach dem Warmlaufen beim Experimentiersender ZDFneo rückt die „Pyramide“ ab 27. August nachmittags ins Hauptprogramm. Das Studio sowie der Ablauf der Show sollen sich mit frischem Retrostil am Charme des Originals orientieren. Selbst die berühmte Titelmusik von Gershon Kingsley wird beibehalten. Der neue Moderator wollte das so.

Was kommt noch – „Am laufenden Band“? Die Formatentwickler bei den Fernsehsendern haben derzeit einen leichten Job. Eine ABM-Maßnahme darf da nicht fehlen. Zu Weihnachten will ZDF-Show-Allzweckwaffe Jörg Pilawa auf den Retrotrend aufsteigen. „Der große Preis“ kehrt zurück.

„Die Pyramide“, ZDFneo, 18 Uhr 45

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