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RIPPEROLOGIE: Mord in Serie

„Jack the Ripper ist nicht zu fassen“: Nachahmungstäter schreckt die Londoner Polizei auf.

Der erste Serienmörder, der zum internationalen Medienstar wurde, war Jack the Ripper. Zeitungen in aller Welt berichteten im Herbst 1888 über die Mordserie im Londoner East End. Wer dieser Mann war, der fünf oder vielleicht sogar noch mehr Frauen mit einem Messer getötet und grausam zugerichtet hatte, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Es gibt zahllose Theorien und Verdächtige, aber keinen überführten Täter. Ein schönes Hobby für Kriminologen aller Art, und auch die Fantasie von Autoren beflügelt dieser spektakuläre Fall immer wieder.

In der dreiteiligen Mini-Serie „Whitechapel“, die im Februar beim britischen Privatsender ITV ausgestrahlt wurde, taucht ein Nachahmungstäter des „Schlitzers“ auf. Regisseur S. J. Clarkson („Life on Mars“, „Heroes“) sowie die Autoren Ben Court und Caroline Ip bedienen sich des Ripper-Mythos und erzählen gleichzeitig eine neue Geschichte. Eine clevere Idee, die immerhin so weit erfolgreich war, dass ITV mittlerweile „Whitechapel II“ produziert, in dem es dasselbe Ermittlerteam erneut mit der Kopie eines berühmten Mordfalls zu tun bekommt. Arte zeigt heute die synchronisierte Fassung der ersten Staffel unter dem etwas umständlichen Titel „Jack the Ripper ist nicht zu fassen“, und zwar alle drei Teile am Stück: Ein niemals langweiliger, 140-minütiger Krimi-Ausflug ins London des 21. Jahrhunderts, wo Fremdenführer Touristen zu den schaurigen Orten der Ripper-Morde führen.

In der modernen Glitzerwelt der London City ist dagegen gerade Detective Inspector Chandler (Rupert Penry-Jones) angekommen, ein junger, redegewandter und mit besten Manieren ausgestatteter Absolvent der Polizeiakademie. Doch bevor DI Chandler vom Polizeipräsidenten die Karriereleiter weiter hochgeschubst wird, muss er sich bewähren – als Leiter der Ermittlungen bei einem Mordfall in Whitechapel. Das ihm unterstellte Team sei „ein wilder Haufen“, sagt der Präsident warnend. Die Polizisten trinken und fluchen, sind schlampig gekleidet und bewerfen sich im Büro mit Papierkugeln. Ihr Wortführer ist Detective Sergeant Miles (Philip Davis), der den unerfahrenen Chandler von Beginn an barsch auflaufen lässt. Immerhin kann es der neue Chef durchsetzen, dass sein Team wieder Krawatten trägt. Dazu bedarf es eines emotionalen Ausbruchs, der in dem Ausruf „Disziplin, Respekt, Deodorant!“ gipfelt. Vom Wahrheitsgehalt der Entgegnung von Sergeant Miles („So riechen richtige Polizisten!“) kann sich der Zuschauer glücklicherweise nicht überzeugen.

Die Spannungen unter den Polizisten nehmen schon deshalb nicht ab, weil es im Fall einer ermordeten Prostituierten nicht recht vorangeht. Als eine zweite Frau getötet wird, macht sie „Ripperologe“ Edward Buchan (Steve Pemberton) auf die Parallelen zu den Mordfällen im Jahr 1888 aufmerksam. Der Täter schlägt am gleichen Kalendertag und sogar an denselben Orten wie einst Jack the Ripper zu. Miles hält von „Ripperologen“ im Allgemeinen und der Theorie von einem späten Trittbrettfahrer im Besonderen gar nichts, doch der unsichere Chandler, der vergeblich im Handbuch der Mordermittlung nach der Lösung blättert, beginnt, Buchan ernst zu nehmen.

Das Interesse, das die Autoren für die Protagonisten wecken, lenkt etwas von dem eher unwahrscheinlichen Umstand ab, dass die Polizei hier Morde, deren Zeitpunkt und Tatorte bekannt sind, nicht zu verhindern in der Lage sein soll. Auch hätten ein paar blutige Details weniger der gekonnt gesteigerten Spannung keinen Abbruch getan. Dafür erhält das Publikum eine gründliche Einführung in die „Ripperologie“. Was die Identität des wahren Jack the Ripper angeht, ist es am Ende nicht schlauer. Thomas Gehringer

„Jack the Ripper ist nicht zu fassen“, Arte, 21 Uhr

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