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"Runaway Productions": Bloß raus aus Amerika

Hollywood bangt um seine Filmindustrie: Wegen der hohen Kosten werden immer mehr Serien und Filme nicht in Kalifornien gedreht.

In den goldenen 1920er und 30er Jahren galt Los Angeles als jener Ort, an dem die ganze Filmindustrie arbeiten wollte. Es gab Platz, viel Sonne, günstige Studiomieten – perfekte Bedingungen für Dreharbeiten im Vergleich zum engen und dunklen New York. Filmemacher flüchteten massenweise an die Westküste und kreierten eine Zauberwelt, die wir heute als Hollywood kennen. Doch die Produktionsbedingungen haben sich geändert. Hollywood ist übersättigt, teuer, kein guter Standort mehr für eine Industrie, die immer stärker in Bedrängnis gerät. Wer einen Film oder eine Fernsehserie produziert, geht ein hohes finanzielles Risiko ein. Deswegen gibt es immer mehr Produzenten, die das sonnige Hollywood verlassen und an einem günstigeren Ort drehen. Viele Formate werden nicht einmal mehr dort gemacht, wo sie eigentlich spielen. Das Phänomen nennt sich: „Runaway Productions“.

Die US-Bundesstaaten wissen um den Trend und befinden sich im harten Wettbewerb um die Film- und Serienmacher. Immer mehr Bundesstaaten buhlen mit Steuersubventionen um die Kreativen – und natürlich um die begehrten Jobs, die damit ins Land kommen. 40 US-Bundesstaaten werben bereits mit Steuererleichterungen um die Gunst der Produzenten. Dabei ist das Manöver unter Experten umstritten: Geht die Rechnung wirklich auf? Gibt es, neben dem Prestige, irgendeinen ökonomischen Nutzen für die heimische Wirtschaft? Politiker sind sich uneins.

Hart gepokert: Die dritte Staffel von "House of Cards" liegt auf Eis

„House of Cards“ ist da ein gutes Beispiel. Der Bundesstaat Maryland hat den Produzenten der renommierten Fernsehserie mit Kevin Spacey zur ersten Staffel elf Millionen Dollar Steuervergünstigungen garantiert. Im zweiten Jahr waren es sogar 15 Millionen. Man rechnete sich aus, dass die Serienmacher, sobald sich die Show als Erfolg herausstellt, in Zukunft unter normalen Bedingungen produzieren würden und folglich an das Land Steuern bezahlen. Aber falsch gedacht. Zur dritten Staffel, die jetzt gedreht werden sollte, verlangten die Produzenten trotz des Erfolgs erneut 15 Millionen Dollar. Dagegen votierten die Abgeordneten von Maryland, da sie befürchten, dass die Subventionsspirale niemals enden werde. Und wie antworten die Serienmacher darauf? Sie drohen damit, den Bundesstaat zu verlassen. Der Produktionsbeginn von „House of Cards“, Staffel drei, wurde vorerst bis Juni auf Eis gelegt.

Es geht aber auch noch drastischer. Immer mehr Serien- und Filmemacher kehren den Vereinigten Staaten ganz den Rücken. Viele Länder, darunter auch Deutschland, werben mit saftigen Steuervergünstigungen und mit Zuschüssen aus Film- und Fernsehfonds. Die Technik ist mittlerweile so reif geworden, dass der Produktionsort für eine TV-Produktion keine so große Rolle mehr spielt.

Eine Serie für den US-Markt kann auch in Thailand produziert werden

Eine Serie für den US-amerikanischen Markt, mit amerikanischen Darstellern und originalgetreuem Setting, kann auch in Thailand oder Kambodscha gedreht werden. Auch im Film funktioniert diese Strategie. Man merkt etwa dem Film „Grand Hotel Budapest“ nicht an, dass Regisseur Wes Anderson ihn nicht in Ungarn, sondern in Görlitz gedreht hat. Der Computer ermöglicht die perfekte Illusion.

Ein anderes Beispiel ist die TV-Serie „SAF3“, die sich um Feuerwehr-Leute aus Malibu dreht. Nur wird sie nicht an der amerikanischen Westküste gedreht, wie man beim Zuschauen glauben könnte, sondern im fernen Südafrika. Strand, Sonne und Bikinis gibt es auch dort. Alles andere lässt sich leicht hineinschneiden. Produziert wird die Serie vom „Baywatch“-Macher Gregory Bonann. Erst hat ihn North Carolina mit Subventionen umworben und Kalifornien aus dem Rennen geschlagen, dann hat Bonann einen Anruf aus Südafrika bekommen. „Die haben mir paradiesische Verhältnisse versprochen. Das konnte ich nicht abschlagen“, gesteht Bonann. Das Land habe ihm teilweise Subventionen in Höhe von 25 Prozent der Produktionskosten garantiert. „Das ist mehr als jede Steuersubvention.“ Außerdem könne man in Südafrika gewerkschaftsfreie Arbeitsverträge schließen. Und die Landschaft sei genauso schön wie an der Westküste.

Wie "Breaking Bad" nach New Mexiko kam

Ähnlich verliefen die Verhandlungen zwischen kalifornischen Politikern und den Machern der Erfolgsserie „Breaking Bad“. Zum Schluss hat New Mexico wegen der üppigen Steuersubventionen den Zuschlag bekommen. Daraufhin haben die Drehbuchautoren das Skript einfach umgeschrieben und die Handlung in die Stadt Albuquerque verlagert. Dem Staat Kalifornien ist damit eine der erfolgreichsten TV-Produktion des vergangenen Jahres durch die Lappen gegangen.

Der neue Bürgermeister von Los Angeles, Eric Garcetti, ist sich des Dilemmas bewusst. Er hat sogar in Anbetracht der Produktionsflucht den Notstand ausgerufen und den Erhalt der Filmindustrie zu seinem wichtigsten Ziel erklärt. Die Sorge ist berechtigt: In den vergangenen 15 Jahren hat Hollywood einen Schwund von 60 Prozent erlebt. Neben US-Bundesstaaten ist das Ausland verstärkt im Rennen – und das mit Erfolg: Der neue „Godzilla“-Film wird nicht in New York, sondern in Vancouver gedreht. Und der neue „Star Wars“-Film nicht in Los Angeles, sondern unter anderem in den Pinewood Studios im englischen Buckinghamshire.

Die amerikanische Wirtschaft versucht es jetzt mit Moral. Wer in den USA sein Geld verdiene, müsse auch in den USA produzieren, heißt es aus der Industrie. Im Endeffekt werden diese Aufrufe nicht reichen. Deshalb will Kalifornien die Steuervergünstigungen, die momentan 100 Millionen US-Dollar betragen, in den nächsten Jahren um ein Vielfaches erhöhen. So soll erreicht werden, dass Film und Fernsehserien wieder jenes Prädikat tragen, von dem man in den Vereinigten Staaten immer seltener hört: „Made in Hollywood“.

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