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Medien: Sammlerwut

Das große Schauspiel. Phoenix.

Das große Schauspiel. Phoenix. Der schlimmste Feind des modernen Politikers ist der Zufall. Dass er in eine Situation gerät, die ihm außer Kontrolle gerät. Das geeignete Gegenmittel: das Kreieren von Situationen durch ihre kalkulierte Inszenierung. Diese Aufgabe, zeitaufwendig wie sie ist, muss der Politiker nicht alleine bewältigen. Medienberater, Spin-Doktoren, Referenten, ganze Wahlkampfstäbe stehen bereit, den Politiker ins beste Licht zu rücken. Gezielt absolvieren Politiker ihre öffentlichen Auftritte für die Bedürfnisse der Mediengesellschaft. Bedürfnisse, von denen die politisch Handelnden annehmen, sie würden so existieren. Gesicherte Erkenntnis ist das nicht.

Längst sind die Grenzen der klassischen „Verkaufe“ von Politik überschritten. „Infotainment", „Emotainment", „Politainment“ sind die fälligen Stichworte, und das Ergebnis heißt: Bist Du nicht in den Medien, dann wirst Du nicht wahrgenommen, gibt’s Dich gar nicht. Der Film von Stephan Lamby und Klaus Radke reiht eindrucksvolle Beispiele aneinander. Ein „Best of" ist der Beitrag geworden. Fleißig sammeln, emsig sichten, um das Material am Schneidetisch zu konfektionieren. Eigene Entdeckerlust, mit der eigenen Kamera? Nicht mit Lamby und Radke.

Der Zuschauer ist nach 56 Minuten überwältigt, er ist verstört: Er bekommt – was er längst schon ahnte – eine Politik vorgeführt, in der der Effekt die Überzeugung verdrängt, die Pointe die Argumentation ersetzt hat. Die Politiker selbst werden im „Großen Schauspiel“ zu ihren medialen Schaulaufen niemals befragt, sie tauchen nur als abgefilmte Darsteller auf. Das ist ein weiterer Mangel des Beitrages, aber nicht der letzte. Zu einer Inszenierung gehören immer zwei: der Schauspieler auf der Bühne und das Publikum im Zuschauerraum. Was stellt eine derartig inszenierte Politik mit dem Wahlbürger an? Die Autoren drücken sich vor der notwendigen Antwort. Ihr Film wirkt selbstverliebt ins Material, in die Trouvaillen, ins Suchspiel, das mit Aufklärungslust verwechselt wird.

Zu Bestätigung und Garnierung der Bilder werden Medienberater wie Hans-Hermann Tiedje, die nordrhein-westfälische Regierungssprecherin Miriam Meckel, der Filmregisseur Dominik Graf oder die Publizistin Bettina Gaus befragt. Sie reden klug, sie reden kompetent, doch auch durch ihre Aussagen scheint ein merkwürdiger Qualitätsanspruch durch: Wie gut ist eine Inszenierung, wer ist der beste Politik-Dartsteller im Land? Ob am Ende nicht nur der Politiker auf der Strecke bleibt, sondern auch die Politik selbst, ist offenbar eine Frage, die nur noch naive Menschen stellen. Vielleicht ist das der Wahlbürger selbst. Joachim Huber

„Das große Schauspiel" wird heute um 23 Uhr 15 im WDR-Fernsehen wiederholt.

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