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Scheiden tut weh. Vera (Iris Berben) und Uli (Peter Simonischek) trennen Hab und Gut und Gefühle. Foto: ZDF

© Rainer Bajo

Scheiden tut weh: Ausräumen der Idylle

Glasklar und zärtlich seziert der ZDF-Film „Liebesjahre“ die Beziehungen von vier Menschen.

Gleich am Anfang verheißt Iris Berbens Erzählerstimme aus dem Off nichts Gutes. Sie spricht von Erinnerungen, von Rückkehr und davon, wie uns das Leben durch die Finger rinnt. Sehr bedeutungsschwer und sehr melancholisch. Es geht um ein geschiedenes Paar, das sich nach langer Zeit wiedertrifft, um das frühere gemeinsame Zuhause in Holstein zu verkaufen. Ein Beziehungsdrama im stilvollen Ambiente mit viel Sentimentalität steht zu befürchten. Doch es kommt anders. Denn das Drehbuch von Magnus Vattrodt („Der Novembermann“) hält sich nicht lange mit Stimmungen auf, sondern stellt die Figuren schnell und präzise in eine Versuchsanordnung, in der sich die einzelnen Teilchen mit viel Energie abstoßen und anziehen, Reaktionen provozieren und kurze Verbindungen eingehen.

Ex-Mann Uli (Peter Simonischek) hat seine neue, sehr viel jüngere Frau Johanna (Nina Kunzendorf) aus Konstanz dabei und verbreitet zusammen mit ihr eine aufgekratzte Partystimmung: „Man muss auch ein Ende gebührend zu feiern wissen. Das ist Haltung.“ Vera (Iris Berben) hingegen hat Listen und Unterlagen dabei, will das Ganze möglichst zügig über die Bühne bringen und findet die Anwesenheit ihrer Nachfolgerin, von deren Existenz sie bis dahin nichts wusste, geschmacklos. Und so liefern sich die Frauen die ersten Florettgefechte. Johanna sagt mit ihrem ständig lachenden Mund: „Das muss schwer sein für Sie, über 20 Jahre und jetzt ist man hier zum endgültig letzten Mal.“ Vera antwortet in sachlichem Ton: „Danke, aber Ihr Mitleid ist überflüssig. Ich denke, wir sind alle erwachsen.“

Schließlich taucht überraschend Veras Lebensgefährte, der Schauspieler Darius (Axel Milberg) aus Hamburg auf, um sie an diesem schwierigen Tag zu unterstützen – gegen ihren Willen. „Zwischen den Zeilen hast du mich gebeten zu kommen“, sagt er. Sie: „Ich hab’ sechs deiner Anrufe weggedrückt. Aber offenbar ist dir das egal, oder was?“ Er: „Lass mich überlegen. Ja. Völlig egal.“ Während ein Paar streitet, kommt sich ein anderes näher. Konflikte verdichten sich plötzlich, um dann wieder mit zärtlicher Ironie aufgefangen zu werden. Bei Spaghetti und Rotwein kommen die Wahrheiten auf den Tisch. Verschlossene Kammern werden geöffnet, Möbel geschleppt, Gläser zerschlagen und Holzscheite gehackt. Dabei spielt das idyllische, alte Bauernhaus eine tragende Rolle, als ein Symbol für das Glück, aber auch für die Vergänglichkeit aller Dinge.

Nach „Silberhochzeit“ und „Wer liebt, hat Recht“ ist „Liebesjahre“ der dritte Teil von Matti Geschonnecks Iris-Berben-Trilogie. Er ist ein Meister darin, Liebesbeziehungen als wackelige Konstrukte zu zeigen, die inmitten einer Extremsituation vorsichtig seziert werden. Mit genauem Timing schickt er seine Figuren mit ihren Lügen, Traumata und unerfüllten Wünschen durch ein Sperrfeuer geschliffener Dialoge. Dabei ist er immer auf ihrer Seite.

Das grandiose Schauspielerensemble läuft hier zu Hochform auf, was etwa bei Iris Berben heißt, dass sie auf wunderbare Weise reduziert ist. Kampfgeist und Schmerz gehen in ihrem Gesicht eine beeindruckende Symbiose ein. Axel Milberg hat man selten so keck und charmant gesehen. „Ich bitte Sie, ich bin sozusagen ein lebendes Schweizer Messer“, sagt Darius, der Mann der Bühne, als er gefragt wird, ob er ein Feuer in Gang bekommt. Er ist so etwas wie der Fels in der Brandung, wenn er der aufgelösten Johanna erst Tee, dann Tee mit Rum und schließlich Rum mit Tee anbietet. Ein lebenskluger, stilsicherer Film. Simone Schellhammer

„Liebesjahre“, 20 Uhr 15, ZDF

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