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Medien: Schmidt macht uns den Mehdorn

VORSICHT! WERBUNG Im Herbst letzten Jahres servierte uns die die Deutsche Bahn TV-Spots, die behaupteten, alles sei billiger, einfacher, schöner und schneller geworden.

VORSICHT! WERBUNG

Im Herbst letzten Jahres servierte uns die die Deutsche Bahn TV-Spots, die behaupteten, alles sei billiger, einfacher, schöner und schneller geworden. Verantwortlich war nicht Herr Mehdorn, sondern eine Dame, die früher bei Lufthansa gearbeitet hatte.

Was bei Transatlantikflügen geht, funktioniert auch bei Bahnfahrten von Wuppertal nach Offenfach, sagte sich die kluge Frau und tüftelte ein raffiniertes Frühbucher- und Gruppenpreissystem aus. Leider war es so raffiniert, dass kein Reisender den tieferen Sinn verstand. Am wenigsten aber die Fahrkartenverkäufer. Jetzt ist alles viel einfacher geworden: Harald Schmidt sitzt in einem nackten Studio an einem nackten Tisch und verkauft der staunenden Öffentlichkeit ein neues Preissystem. Zwar wirkt er ziemlich gequält. Aber für einige 100 000 Euro macht er gern den Clown.

Warum ihn die zuständige Werbeagentur Olgilvy in Frankfurt an einen hässlichen Bürotisch gesetzt hat statt in einen ICE oder in einen schnöden Nahverkehrszug, wissen nur die Ogilvy-Kreativen. Soll er an dem Müllmöbel glaubwürdiger wirken oder die Armut der Deutschen Bahn bestätigen? Die erwirtschaftet schließlich gerade mal sieben Milliarden Euro. Den großen Rest von zehn Milliarden für Investitionen ins Streckennetz und neue Tarifkampagnen zahlen der Bund und die Länder.

Keine Frage, ich fahre gern mit der Bahn – auch wenn die Inneneinrichtung der ICEs so gestaltet sind, als habe der Design-Greis Colani nach drei Flaschen Rotwein Hand angelegt. Ich lasse mir auch zehn Minuten Verspätung gefallen. Verglichen mit dem Zeit- Chaos vieler Fluglinien sind die ein Klacks. Nur werde ich ungeheuer „züntig“ wie der Bayer sagt, wenn mich ein Herr Mehdorn mit lockerer Hand verarschen will. Erst macht der den Überklugen, indem er Fahrpreiserhöhungen und Tarifdschungel als Errungenschaft verkauft. Dann setzt er zwei Vorstände vor die Tür, die nur das getan haben, was ihm in geistiger Umnachtung überkommen ist. Und schließlich lässt er ein neues Tarifsystem basteln, das erstens im Internet kaum zu lesen ist, weil es in Mückenschrift gedruckt wurde. Und das zweitens genauso undurchschaubar ist wie jenes von der klugen Lufthansafrau. (Gehen Sie mal am Bahnhof Zoo zu drei verschiedenen Kartenschaltern und und fragen Sie nach dem günstigsten Preis nach Braunschweig. Sie bekommen jeweils einen anderen Tarif.)

Ich denke, es ist an der Zeit, dass der Bahnchef Hartmut Mehdorn dem früheren Telekom-Boss Ron Sommer endlich in die Pampa folgt. Als Lokführer einer alten Bimmelbahn kann er nichts Schlimmes mehr anrichten.

Reinhard Siemes

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