zum Hauptinhalt
Dauergast. Wird deutsche Innenpolitik als Talkthema aufgerufen, wird „Stern“-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges gerne eingeladen.

© picture alliance / dpa

Schreiben und Schreien: Einmal Meinung, bitte!

Warum Fernsehtalks häufiger Printjournalisten einladen als Kollegen aus den angeschlossenen Funkhäusern.

Einer ist immer da. Kaum eine Talkshow geht im deutschen Fernsehen auf Sendung, ohne dass Hans-Ulrich Jörges oder Henryk M. Broder oder Jan Fleischhauer Platz genommen haben. Die drei sind Printjournalisten, Jörges beim „Stern“, Broder arbeitet für die „Welt“-Gruppe, Fleischhauer schreibt für den „Spiegel“. Die drei sind keineswegs alleine auf weiter Talk-Flur, sie seien nur als typische Vertreter für diese Beobachtung genannt: Das Fernsehen lädt sich lieber Printjournalisten in seine Talks als Fernsehjournalisten ein. Können die Fachleute des geschriebenen Worts besser talken als die Experten von Funk und Fernsehen?

„Fernsehjournalisten fühlen sich oftmals eher der Neutralität verpflichtet“, sagt Tim Kesting, Redaktionsleiter von Probono Berlin mit Talkshows wie „Vier gewinnt“ und „Das Duell“ auf n-tv sowie „2+Leif“ im SWR-Fernsehen. Bei Talkshows ist aber weniger ein sanftes Abwiegen von Für und Wider, sondern vielmehr eine polarisierende Diskussion gefragt. Zwar hätten auch TV-Vertreter eine journalistische Haltung, seien teilweise aber zurückhaltender in einer klaren Meinungsäußerung, wollen nicht in eine Schublade gesteckt werden, heißt es aus Talkshow-Redaktionen.

„Printjournalisten lassen sich meistens eher einer politischen Seite zurechnen. Das ist für Talkshows sehr wichtig, denn die Runden werden schließlich auch nach unterschiedlichen Positionen besetzt“, sagt Kesting. Printjournalisten seien geübt in der Meinungsäußerung. Nicht nur in den Leitartikeln und Kommentaren ihrer Zeitungen und Magazine, sondern auch online. Viele sind – wie Broder und Fleischhauer – umtriebige Blogger. Starke Thesen in die Welt zu setzen, gehört für sie zum Tagesgeschäft (wenn nicht zum eigenen Ego). Diese dann in einer Talkshow auch bei Gegenwind durchdeklinieren zu können, qualifiziert für eine Einladung. Hinzu kommt: „Es wäre ja langweilig, wenn in einer Fernsehshow nur Fernsehjournalisten sitzen“, sagt Nina Tesenfitz, Sprecherin der Will Media GmbH. Sie verweist zugleich darauf, dass neben Printvertretern immer wieder Fernsehkollegen bei „Anne Will“ zu sehen sind.

Wolfgang Klein, Redaktionsleiter des ZDF-Talks „Maybrit Illner“, bestätigt, „wir wollen in unserer Sendung in der Tat nicht in erster Linie unser Genre bespielen oder bespiegeln. Es gibt Printjournalisten, die regelmäßig in Kolumnen oder Kommentaren mit ihrer Meinung die Diskussion befruchten, warum sollten wir nicht auf sie zurückgreifen?“ Doch, so betont Klein, seien bei „Maybrit Illner“ regelmäßig TV-Journalisten zu Gast gewesen wie die ZDF-Kollegen Peter Frey, Nikolaus Brender, Marietta Slomka. Oder auch Fernsehjournalisten aus anderen Sendern, darunter Peter Scholl-Latour oder Ulrich Wickert. „Alles gestandene Fernsehjournalisten“, meint Klein.

Auch Frank Plasberg, Chef und Moderator des ARD-Talks „Hart aber fair“, sagt: „Das stimmt nicht so ganz, dass wir keine Fernsehjournalisten in der Sendung haben.“ Er erinnert an Klaus Bednarz und jüngst Johannes B. Kerner. „Aber wir haben sicher häufiger Printkollegen in der Runde, auch weil wir den Anspruch haben, zu einem Thema das ganze Meinungspanorama zu zeigen, und dazu gehört natürlich auch das, was Zeitungsjournalisten schreiben.“ Zu fast jedem Thema gäbe es auch einen kompetenten Kollegen in der ARD, würden die aber immer eingeladen, fürchtet Frank Plasberg, dann „würde man uns zu Recht vorwerfen, wir könnten nicht über unser eigenes Medium oder sogar über unseren eigenen Sender hinausschauen“.

Carsten Wiese, verantwortlicher Redakteur beim für den ARD-Talk „Menschen bei Maischberger“ zuständigen WDR, sagt: „Natürlich haben wir reichlich gute, eigene Leute, aber es heißt ja auch ,Eigenlob stinkt’.“ Dass Fernsehjournalisten seltener zu Gast seien, könne deshalb „auch als Zeichen bescheidener Zurückhaltung ausgelegt werden.“

Wenn Fernsehmitarbeiter in Talks gebeten werden, dann offenbar bevorzugt als Experten für ein bestimmtes Thema. Beispielsweise hat NDR-Chefreporter Christoph Lütgert bei „Anne Will“ über seine Recherchen zum Textil-Discounter Kik berichtet, seine „Panorama“-Kollegin Anja Reschke erzählte davon, was sie über die Biolandwirtschaft herausgefunden hat.

Es gibt sie, die meinungsstarken Fernsehleute, „aber es ist viel schwieriger, sie für eine Sendung zu gewinnen“, sagt Kesting. „Viele haben eine große Scheu, bei Konkurrenzsendern aufzutreten, weil sie fürchten, dass der Konkurrenzsender dadurch aufgewertet werden könnte.“

Jedoch kommen Talkshow-Redaktionen oft nicht darum herum, das prominente Gesicht eines anderen Senders einzuladen. Sobald die Zuschauer beim Zappen den ARD-Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar sehen, wissen sie, dass die Runde entsprechend relevante Themen verhandelt – die Kernenergie nur als aktuelles Stichwort. Sitzt Peter Scholl-Latour in der Runde, ist höchstwahrscheinlich Außen-, sprich Weltpolitisches in der Diskussion. So müssen die Moderatoren nicht lange den Zuschauern erklären, mit wem und mit welchem Thema sie es gerade zu tun haben, sondern können gleich in die Diskussion einsteigen. „Man kommt um den Faktor Prominenz bei der Auswahl der Gäste nicht vorbei“, sagt Kesting – und je öfter ein Journalist in einer Runde sitzt, umso bekannter ist er. Selbst wenn der eigene Sender genauso gute Experten zu bieten hat, sind die Dauergäste oft die besseren Gäste. So war ARD-Mann Ranga Yogeshwar am Donnerstagabend bei ZDF-Frau Maybrit Illner zu Gast.

Claus Strunz ist als Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“ ein viel beschäftigter Mann, Peter Limbourg ist als Informationsdirektor der Pro-SiebenSat-1-Gruppe und als Sat-1-Newsanchor ein viel beschäftigter Mann. Warum macht dann Strunz und nicht Limbourg die neue politische Talkshow „Eins gegen Eins?“. Sat-1-Sprecherin Diana Schardt sagt: „Claus Strunz ist ein gelernter und sehr erfahrener Printjournalist, hat aber auch bereits erfolgreich TV-Talks moderiert.“ Jetzt sei er das Gesicht und das Aushängeschild von „Eins gegen Eins“ und damit eindeutig mit diesem Format verbunden – „das erleichtert den Zuschauern auch die Zuordnung und die Wahrnehmung der Sendung“.

Wolfgang Maier-Sigrist, Sprecher des ARD-ZDF-Programms Phoenix, erkennt auf Unentschieden. Phoenix „bediene“ sich auf all den Flächen, auch in den politischen Gesprächssendungen, ständig aus dem gesamten Feld der deutschen Journalisten, darunter selbstverständlich auch aus Hörfunk und Fernsehen. Nina Tesenfitz sagt: „Für die Auswahl der Gäste bei ,Anne Will’ ist nicht das Fach der Journalisten entscheidend, sondern ob sie starke Meinungträger sind.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false