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Kerner

© dpa

Senderwechsel: Der Kerner-Coup

ZDF-Vorzeige-Moderator Johannes B. Kerner kehrt nach zwölf Jahren überraschend zu Sat.1 zurück. Der Wechsel sorgt beim ZDF offenbar nicht für Trauerarbeit.

Vielleicht ist ja Hertha BSC Berlin schuld. Wenn sich der Fußball-Bundesligist aus der Hauptstadt tatsächlich noch für die nächste Champions League qualifizieren sollte, darf bei den Fernseh-Übertragungen ein bekennender Hertha-Fan als Moderator auf dem Feld stehen: Johannes B. Kerner. Dass das Aushängeschild des ZDF, wie am Mittwoch bekannt wurde, zum 1. Januar 2010 wieder zurück zu Sat 1 wechselt, um dort im neuen "ran"-Team als "Top-Moderator" die Spiele der Champions League und ein wöchentliches, journalistisches Magazin zu präsentieren, ist der Überraschungscoup des Medienjahres. Kerner erklärte zu seinem Wechsel, er freue sich auf eine neue Aufgabe. Sat 1 biete "erstklassige inhaltliche Perspektiven in der Kombination von Information, Show und Sport."

Dafür verantwortlich: der neue Sat-1-Geschäftsführer. "Ich bin sehr stolz, dass wir Johannes B. Kerner wieder für Sat 1 begeistern konnten", jubelt Guido Bolten. Kerner sei einer der beliebtesten und kompetentesten Moderatoren Deutschlands. Mit Kerner könne nicht nur die Marke "ran" erstklassig präsentiert, sondern auch die journalistische Kompetenz des Privatsenders ausgebaut werden. ZDF-Intendant Markus Schächter erklärte, "wir hatten zwölf erfolgreiche Jahre miteinander", äußerte aber auch "Verständnis dafür, dass Kerner nach neuen Horizonten strebt".

Ein heikler Jobwechsel. Kerner konnte zwischen zwei Angeboten wählen, zwischen einer Vertragsverlängerung beim ZDF und einer Zusage für Sat 1. Verhandelt wurde seit dem 9. April, als Kerner anlässlich der Sat-1-Übertragung des Champions-League-Spiels Barcelona gegen Bayern in Spanien war. Bei den längst angelaufenen Verhandlungen mit dem ZDF hätten sich unterschiedliche Auffassungen herauskristallisiert, heißt es in der ZDF-Spitze: über die Dauer des Vertrages, die Anzahl der Sendungen pro Jahr und deren inhaltliche Ausgestaltung. Momentan läuft die Talkshow "Johannes B. Kerner" mit mehr als 110 Ausgaben, das ZDF wollte sie unter 100 drücken. Das hätte Kerners Honorar gemindert, welches sich an der Zahl der Sendungen bemisst. Zudem wurde dem Moderator bedeutet, er müsse seinem Talk mehr Substanz injizieren. Der 44-Jährige gilt allerdings, um eine Wendung aus der Fußballersprache zu gebrauchen, "als nicht mehr anspielbar". Der mochte sich nichts mehr sagen lassen, heißt es im ZDF. Dass der Sender die Verhandlungen scheitern lassen wollte, das wäre übertrieben, dass sie gescheitert sind, sorgt offenbar nicht für Trauerarbeit. "Johannes B. Kerner hat unser Angebot ausgeschlagen", sagte ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut, dem Tagesspiegel. "Wir wünschen ihm alles Gute bei Sat 1." Für Kerner heißt es also: zurück zu den Wurzeln.

Kerner war 1997 nach fünf Jahren von Sat 1 zum ZDF gewechselt. Der Privatsender hatte dem jungen Moderator 1992 die Leitung der Bundesliga-Sportsendung "ran" anvertraut. Daneben präsentierte er ab 1996 seine tägliche Talk-Show "Kerner". Das ZDF verpflichtete ihn 1997 für die Talkshow "Johannes B. Kerner", das "Aktuelle Sportstudio", für große Abend-Shows und eine Kochsendung. Außerdem moderiert er Sport-Events wie die Fußball-Welt- und Europameisterschaften, Länderspiele sowie die Olympischen Spiele.

Das Kunststück für das ZDF wird darin bestehen, den Weggang von Kerner, der eine Quotenlücke reißen wird, zu kompensieren. In der Programmdirektion gilt nun die Devise: "Mehr Gesichter für ein Gesicht". Das heißt, an der ZDF-Talkshow von Dienstag bis Donnerstag wird nicht gerüttelt. Allerdings wird sie Markus Lanz, der die Brutzelshow "Lanz kocht" am Freitag an einen TV-Koch wie Johann Lafer oder Horst Lichter abgeben soll, nicht vollständig übernehmen. Kerner an der Seite von Oliver Kahn als Moderator bei Spielen der deutschen Nationalelf zu ersetzen, dürfte nicht so schwer sein. Sendermitarbeiter tippen auf Katrin Müller-Hohenstein oder Rudi Cerne. Bellut sagt, dass die allfälligen Nachfolger-Fragen erst diskutiert würden.

Für Sat 1 ist die neuerliche Anwerbung von Kerner ein Coup.

Der umworbene Oliver Pocher von der ARD, dazu Moderator Oliver Welke, nun Kerner - der in den vergangenen zwei Jahren arg kriselnde Privatsender Sat1 scheint tief in die Taschen zu greifen, gleichzeitig die Zugkraft der öffentlich-rechtlichen Sender zu schwinden. Jörg Pilawa, Harald Schmidt, Reinhold Beckmann, Kerner - sie alle waren nach den Boomjahren des Privatfernsehens, Ende der 90er, Anfang der 2000er von Sat1 zu ARD und ZDF gewechselt, um ihr Profil zu schärfen. Nun geht es nach und nach retour. Dazu passt auch die Absage von Günther Jauch an die ARD. Als das Erste den RTL-Moderator 2007 als Nachfolger von Christiansen eine politische Talkshow anvertrauen wollte, sagte dieser, aufgerieben vom Hin und Her der öffentlich-rechtlichen Anstalten und Wichtigtuer, ab.

Was Jauch für RTL, schien Kerner fürs ZDF: unersetzlich. Dort geht man aber davon aus, dass sich die Wege mit dem Vorzeige-Moderator nicht erst Ende des Jahres, sondern bereits im Sommer trennen werden. Dann könnte der "Top-Moderator" bei den Übertragungen auf Sat1 unter anderem auch seine Hertha ankündigen. Wer weiß, ob die 2010 noch in der Champions League mitspielen.

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