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Berger

© dpa

Senta Berger: "Der Mensch ist nicht gut"

Für das ZDF spielt Senta Berger seit 2002 die Kommissarin Eva Prohacek. Mit dem Tagesspiegel spricht sie über Wirtschaftskrimis, ältere Frauen, Italien und Zigaretten.

Frau Berger, für Ihre Titelrolle im WDR-Drama „Frau Böhm sagt nein“ haben Sie den Grimme Preis erhalten. Frau Böhm wie auch Dr. Prohacek, die Sie seit 2002 in der Reihe „Unter Verdacht“ verkörpern, sind in den besten Jahren. Finden Sie, dass ältere berufstätige Frauen im Fernsehen zu selten vorkommen?

Was heißt „zu selten“? Die ältere berufstätige Frau kommt heute als Rolle im Fernsehen viel häufiger vor als noch vor zehn, fünfzehn Jahren. Warum? Weil es sie gibt. Weil es in unserer Gesellschaft die berufstätige ältere Frau gibt, die noch Erwartungen an das Leben hat, die ein erzählenswertes Schicksal hat. Und es gibt durchaus Geschichten, die mich überraschen, die mich interessieren und die ich miterzählen will.

Wie nah ist Ihnen die Rolle der Prohacek?

Es ist so, dass ich das Glück hatte und auch das Privileg, mich an den ersten Gesprächen zu beteiligen, in denen es darum ging: Was könnte man über den klassischen Krimifall am Samstagabend hinaus erzählen? Da sind wir schnell auf politische Inhalte gekommen, auf Wirtschaftskriminalität, auf Lobbyismus, Bestechung und Korruption. Wenn man das mit den Mitteln eines Krimis erzählt, dann könnte man Leute dafür interessieren, die zwar Tageszeitungen lesen, aber noch viel lieber so etwas in einer Art kulinarischer Aufbereitung sehen.

Das war die Grundidee.

Richtig. Und ermitteln kann nur eine Frau, die ständig selbst in der Situation ist, von ihren Mitarbeitern geschasst zu werden. Warum? Weil sie eine interne Ermittlerin ist. Dadurch haben wir einen Antagonisten gebraucht: Hier diese Gerechtigkeitsfanatikerin, die sich mit ihrem Moralismus auch oft ins Unrecht setzt, und dort den ewigen Opportunisten, der sich wie ein Aal durchbugsiert. Wo ein Gesetz ist, da ist auch ein Schlupfwinkel. Das ist Reiters Position und im Grunde die der Gesellschaft.

Evas Antipode Dr. Reiter wird kongenial von Gerd Anthoff dargestellt. Gedeiht Reiters Mentalität im seit Jahrzehnten von der CSU regierten Bayern besonders gut?

Nein, denken Sie an Köln, an den Müllskandal und Vertuschungsversuche nach der Zerstörung des Stadtarchivs. Diese Haltung gedeiht überall, wo Menschen sind, denn der Mensch ist nicht gut.

Würden Sie Eva Prohacek gelegentlich gerne etwas lasterhafter gestalten?

Ich habe mir als Laster ja die Zigarette erlaubt. Ganz am Anfang haben wir gesagt, brechen müssen wir sie schon. Zwei Sachen, die sich dann ein bisschen verloren haben, fand ich sehr interessant: Das Rauchen aus allen möglichen negativen Gefühlen heraus und Evas Unbehaustheit. Für einige Folgen hat sie in einer leeren Wohnung mit Kartons gelebt. Ich habe das geliebt. Aber irgendwann haben wir gesagt, jetzt braucht sie einen Schrank.

Die heutige Folge ist von frappierender Aktualität, spielt sie doch in einem bayerischen Elite-Internat. Gezeigt wird eine geschlossene Männergesellschaft zwischen Christentum und Darwinismus …

… in dem Fall ist es eher ein geistiger Missbrauch als ein körperlicher. Die Geschichte erzählt einfach den Missbrauch mit den jugendlichen Erwartungen, mit der Begeisterungsfähigkeit und dem Glauben, das Gute tun zu wollen.

Vermissen Sie in Fernsehfilmen einen stärkeren gesellschaftspolitischen Akzent?

Ich kann mich da nicht ganz Marcel Reich-Ranicki anschließen, denn ich weiß doch, welchen Sender ich habe und auf welches Knöpfchen ich drücke. Bestimmte Privatsender zeigen ein Programm, das mich schlichtweg nicht genügend interessiert, oder sie zeigen amerikanische Serien, deutsch synchronisiert, das kann ich überhaupt nicht aushalten. Aber ich habe wenigstens acht Sender, bei denen ich weiß, da komme ich an ein Thema ran.

Sie haben Ihre Karriere in Italien begonnen. 1970 zum Beispiel waren Sie als fröhlich-feministische Steinzeitschönheit „Animalia“ bei Lina Wertmüller zu sehen. Was bedeutet Ihnen diese Zeit?

Italien war tatsächlich für mein ganzes Leben sehr wichtig, obwohl es von Los Angeles kommend ein absoluter Gegenentwurf war. Dort gab es ein strenges Arbeitskorsett. In Italien dagegen lautete das Prinzip: Es ist alles so geplant, aber es kann auch ganz anders sein. Das ist mir sehr entgegenkommen. Ich mochte auch die ausgedehnten Mittagspausen, in denen jeder Beleuchter selbstverständlich Wein trinkt, während man in Amerika heimlich sein Fläschchen in der Papiertüte hütet. Italien hat mir einen bleibenden Eindruck gemacht und das, was in mir österreichisch ist, nur ermutigt.

Das Gespräch führte Katrin Hillgruber.

„Unter Verdacht“, ZDF, 20 Uhr 15

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