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Stillstand? Mai (Julia Jäger) und ihr Mann Arndt (Oliver Stokowski). Foto: Arte

© Â SWR/zero one film/Tom Trambow

Sie kriegen die Krise: Nachbarn haben’s schwer

„Zeit der Helden“ bringt fünf Tage Midlife-Crisis in Echtzeit. Der Zuschauer ist jeden Abend zu Hause bei Familie Brunner, deren Freunden und Verwandten.

Fellini, Bergman, Woody Allen. Es ist zwar keiner der Drahtzieher, der diese Vorbilder bemüht, aber immerhin einer der Hauptdarsteller: Oliver Stokowski nennt „Zeit der Helden“ in der Tat im selben Atemzug mit einigen der wichtigsten Regisseure überhaupt. Damit tut er der Serie allerdings keinen Gefallen, denn die Aussage weckt Erwartungen, die die Produktion gar nicht erfüllen kann. Allerdings gilt das auch für den Regisseur der Produktion von Arte und SWR; zu den Meriten Kai Wessels zählen immerhin Mehrteiler wie „Klemperer“ und „Die Flucht“. Von dieser Liga aber ist „Zeit der Helden“ in mancherlei Hinsicht weit entfernt, und das nicht allein wegen des deutlich niedrigeren Budgets. In der Theorie klang das Experiment weitaus faszinierender als in seiner Manifestation als Fernsehserie.

Dabei handelt es sich zumindest für das deutsche Fernsehen um eine echte Innovation: „Zeit der Helden“ ist zwar Fiktion, aber in Echtzeit. Wenn man heute Abend um 20 Uhr 15 einschaltet, ist es wie weiland Ende der 50er Jahre bei den Schölermanns auch in der aktuellen Serie 20 Uhr 15. Und während das Fernsehen Vorgänge sonst gern verdichtet und auf einen Schnitt reduziert, dauern die Dinge in dieser „dokumentarischen Fiktion“ (Wessel) so lange, wie sie eben dauern. „Zeit der Helden“ schaut dem Leben bei der Arbeit zu, und das ist vom Thriller naturgemäß ähnlich weit entfernt wie die „Lindenstraße“ vom „Tatort“.

Auch sonst sind die Parallelen zu einer Soap (ob Daily oder Weekly) unübersehbar: Die Schauplätze wechseln mitunter unmotiviert, die Nebenfiguren sind nicht so herausragend besetzt wie die Protagonisten, und die mutige Bildgestaltung hat zur Folge, dass Menschen mit schwachem Sehvermögen nicht alles erkennen werden. Kameramann Nicolay Gutscher hat mit einer extrem lichtempfindlichen Kamera gearbeitet. Die Bilder sind daher nicht wie üblich sorgfältig ausgeleuchtet, was ihren Naturalismus naturgemäß erhöht: Wo es kein Licht gibt, ist es dunkel – wie im Leben. Das rückt die Serie in die Nähe der Dogma-Produktionen, was der durchschnittliche Fernsehzuschauer als Warnung verstehen darf.

Für Wessel ist allerdings wichtig, dass die Technik nur Mittel zum Zweck sei: „Dass sich die Machart formalästhetisch von anderen Fernsehfilmen unterscheidet, sollen die Zuschauer eher subkutan wahrnehmen. Die Serie wird nicht über die Bilder funktionieren, sondern über die Menschen, von denen wir erzählen.“ Und genau hier liegt das Problem. Trotz namhafter Schauspieler wie Stokowski, Julia Jäger und Inka Friedrich hält sich die Faszination in Grenzen. „Zeit der Helden“ soll Einblicke in den Alltag von fünf Erwachsenen um die 40 geben, aber Alltag hat jeder Zuschauer selbst zu Hause. Die Konflikte in der Lebensmitte mögen im Detail interessant sein, werden aber regelmäßig zerredet. Dabei stammt das Drehbuch von den Grimme-Preisträgern Beate Langmaack und Daniel Nocke. Produktionsfirma zero one hat auch schon die aufsehenerregende Dokumentation „24h Berlin - Ein Tag im Leben" (RBB/Arte, 2009) hergestellt.

Anerkennung und Aufmerksamkeit hat das Experiment dennoch verdient, zumal sich die Dramaturgie des Niedergangs schleichend vollzieht: Zu Beginn der Woche gehen die Dinge noch ihren gewohnten Gang, bis Karfreitag wird das beschauliche Dasein der beiden Paare im Zentrum existenzielle Risse bekommen. Bei allem Respekt vor dem Wagemut der Sender und der Produktionsfirma: „Die Grenzen des Fernsehens erweitern“, wie Wessel hofft, wird das Projekt nur in der Theorie. Tilmann P. Gangloff



„Zeit der Helden“ wird Montag bis Freitag jeweils um 20 Uhr 15 und um 22 Uhr bei Arte und SWR ausgestrahlt. Dazu gibt es Dokus und Spielfilme unter dem Label „40+: Jetzt oder nie!“

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