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„Talk im Turm“, 18.1.1998. Studenten bedrängen Moderator Erich Böhme. Foto: dpa

© picture-alliance / dpa

Skandale in TV-Shows: Anketter und Angrabscher

Nicht zum ersten Mal hat ein Zuschauer am Sonntagabend bei "Günther Jauch" eine Talkshow gestört. Auch Frank Elstner und Erich Böhme mussten sich schon mit ungebetenen Gästen auf der Bühne auseinandersetzen - und reagierten ähnlich souverän.

Das Publikum in deutschen Fernsehsurdios ist brav und dankbar, die Groupies sind gegenüber den Krawallmachern ganz klar in der Mehrheit. Wie auch anders? Die Besucher einer (Talk-)Show gehen zum Objekt ihrer Begierde, sie wollen zu Jauch oder Will, zu „Wetten, dass..?“ oder „DSDS“. Sie sind Fans, keine Feinde der Veranstaltung. In der Regel zahlen sie für die Eintrittskarte, meistens ist das Ticket teurer als eine Kinokarte. Kaum im Studio eingetroffen, wird das Publikum einer „Spezialbehandlung“ durch Produktionsmitarbeiter unterzogen, auf dass den Kommandos der Sendebegleiter unbedingt Folge zu leisten sei. Es wird applaudiert, wenn der Vorturner applaudiert, kapiert? Das wirkt. Das Studiopublikum sitzt erstarrt vor der Kameraschlange.

Diese Zuschauer sind eigentlich nur eine lebende Kulisse aus Fleisch und Blut, Echoraum, zwar Stellvertreter des Publikums vor dem Bildschirm, aber längst nicht so vital, so reaktionsfreudig. Benimm im Studio zählt mehr als (Kleidungs-)Geschmack. Wird zu Hause gelästert und geschrien, wird im Studio gelächelt und geklatscht. Schon ein Zwischenruf, der so manche dröge Debatte befeuern könnte, gilt als Sensation, als Störung.

Eine entsprechende chronique scandaleuse ist kurz. Richtig Leben in der Bude war am 18. Januar 1998. Helmut Kohl regierte das Land, Erich Böhme dirigierte den „Talk im Turm“ bei Sat 1 in Berlin. Wie schon bei Günther Jauch, so waren es auch bei Böhme Studenten, damals der Humboldt-Universität. Einer kettete sich während der Livesendung an Böhmes Stuhl an und verlangte, dass statt über Prostitution über Massenarbeitslosigkeit diskutiert würde. Als des Moderators Stuhl ausgetauscht wurde, ketteten sich acht Studenten untereinander an. Böhme suchte die Lage zu entschärfen – „Macht keinen Scheiß“ –, was im Endeffekt nur gelang, weil er das geforderte Thema auf die Agenda der nächsten Sendung zu setzen versprach. Erich Böhme fühlte sich im Zwiespalt, einerseits wollte er sich keine Diskussion aufzwingen lassen (was, wenn Neonazis so agieren würden?), andererseits wollte er keinen Talk hinter einem Polizeikordon. Der Student dankte es Böhme übrigens nicht. Im nächsten „Talk im Turm“ stand er als Gast in der Runde kurz vor Schluss auf, drehte sich um, ließ die Hose herunter und proklamierte: „Zeichen für Helmut Kohl“. Das weiße Teil war einige Sekunden lang zu sehen, bis die Kamera wegschwenkte. Jahre zuvor hatten die Bergarbeiter von Bischofferode bereits einmal mit einer massiven Störung von „Talk im Turm“ eine Sendung zu ihrer Thematik erzwungen.

Eine ähnliche Situation wie in der JauchSendung am Sonntag hatte es 1984 in der ZDF-Show „Wetten, dass..?“ gegeben. Moderator Frank Elstner reagierte ähnlich souverän wie Jauch. Als Umweltaktivisten mit einem Transparent vor die Kamera rannten und mit Ordnern rangelten, sagte er: „In meinem Studio wird keiner rausgeschmissen!“ Er erlaubte den Demonstranten, kurz zu erklären, worum es ihnen ging (Rettung der Donauauen), dann verließen diese die Bühne.

Die Ausgabe der Talkshow „3 nach 9“ Anfang 2011 wurde durch den „FrüchteGrabscher“ bekannt. Ein Zuschauer ging nach vorne, griff mit den Worten „Ich bin Gebührenzahler“ in den Obstkorb, wurde von Moderator Giovanni di Lorenzo gemaßregelt, nahm die Schale und verbrachte den Rest der Sendung schmatzend auf seinem Stuhl. Der Sinn der Aktion blieb im Dunkeln. Joachim Huber

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