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Soap: Holt mich hier raus!

Eine Rolle, zwei Gesichter: Die „Lindenstraße“ sorgt mit einer prominenten Umbesetzung für Verwirrung unter Fans. Nebenbei lüftet die Serie das Geheimnis lange währender Ehen.

Wie ist es, wenn dein Nachbar plötzlich ein anderes Gesicht hat, aber immer noch der Gleiche ist? Oder besser: immer noch der gleiche Mensch sein soll? Ziemlich gespenstisch war den Zuschauern der „Lindenstraße“ am vergangenen Sonntag zumute, als ihnen in der Rolle der Sandra Sarikakis nicht mehr die bekannte Schauspielerin Jennifer Steffens, sondern eine gewisse Julia Beerhold gegenübertrat. Der griechische Restaurantbesitzer Vasily Sarikakis hatte quasi über Nacht eine neue, gleiche Ehefrau zur Seite gestellt bekommen, was entweder das Geheimnis einer lange gut funktionierenden Ehe oder absoluter Humbug ist. Eine andere Stimme, ein anderes Gesicht, das der Ehemann immer noch mit demselben Namen ansprach, dem er genauso tief in die Augen sah. Selten hat die ARD-Seifenoper einen solchen Shitstorm über sich ergehen lassen müssen, unter anderem auf ihrer Facebook-Seite.

Jennifer Steffens, die bislang die Sandra spielte, stehe für die Rolle nicht mehr zur Verfügung, weil sie sich neuen beruflichen Projekten widmen wolle, so hieß es Tage vorher in einer Mitteilung, die die Zuschauer offenbar nicht zur Kenntnis nahmen. Dabei sind die Probleme einer Serienproduktion, abwanderungswillige Schauspieler und über mehrere Monate geplante Handlungsbögen mit den jeweiligen Figuren unter einen Hut zu bringen, nicht neu. Die US-Serie „Dallas“ hat sich von den Wirren um die Wiederauferstehung des Protagonisten Bobby Ewing in den späten 1980ern nie erholt. Weil die Produzenten den Darsteller Patrick Duffy nach zwei Jahren Absenz wieder in der Serie haben wollten, wurden die mittlerweile ausgestrahlten Folgen – ohne Bobby Ewing – quasi zur Fata Morgana erklärt, als der Ewing-Sohn nach seinem Serientod via Autounfall wieder fröhlich unter der Dusche auftauchte. Eines der größten Fernsehereignisse aller Zeiten.

Normalerweise lässt man Figuren nicht sterben, solange man sie noch gebrauchen kann, sagt ein Sprecher der „Lindenstraße“. Die Rolle der Sandra sei zu zentral. Trotzdem, viele Fans tobten und posteten noch während und nach der Sendung im Internet. „Dann sollte man die Rolle besser rausschreiben. Du tauschst ja auch keine Menschen in deinem Umfeld einfach so aus, frei nach dem Motto: So, das ist nun dein neuer Onkel. Schwierig, wenn man sich dran gewöhnt hat. Das ist eher ,GZSZ’-Niveau.“ Oder: „Einfach die Schauspielerin austauschen ist ein No Go! Damit vergrault man sich Zuschauer!“ Und: „Ihr hättet sie besser sterben lassen sollen bei der Feldsalatgeschichte. Alles ist besser als diese eine Umbesetzung. Es tut mir leid für ,die Neue’, aber es ist, wie es ist.“ Sowie „Man kommt sich als Zuschauer schon veräppelt vor! Die Neue kann ja nichts dafür, aber sie hat eine ganz andere Persönlichkeit. Es sind zwei verschiedene Personen!“ Manche wollten erstmalig seit Anbeginn der „Lindenstraße“, das war 1985, abschalten. Andere zeigen mehr Verständnis: „Es ist völlig normal, dass in Theaterstücken etc. Umbesetzungen vorgenommen werden.“ Es handele sich um eine Serie, nicht um das reale Leben, obwohl da auch manchmal Umbesetzungen stattfinden.

Schon mehrere Male in 27 Jahren „Lindenstraße“ hatte die Geißendörfer-Produktion sich entschieden oder entscheiden müssen, eingeführte, beliebte Rollen einfach beizubehalten und die Darsteller auszuwechseln. Bekannteste Beispiele: Marion Beimer oder Lydia Nolte. Damals, 1992, gab es noch eine Fernsehansagerin, die vor Ausstrahlung der Wechsel-Folge mitteilte: „Bitte wundern Sie sich nicht, liebe Zuschauer, die Darstellung der Lydia Nolte wird ab dieser Folge von Ursula Ludwig übernommen.“

Im Grunde braucht es so etwas immer noch. Keine Fernsehansagerinnen mehr, keine Mitteilung an die knapp drei Millionen Zuschauer, die die „Lindenstraße“ Sonntag für Sonntag sehen. Über 1427 Folgen Serienfiktion braut sich da schon mal die eine oder andere Verwechslung mit der Wirklichkeit zusammen. Zumal die neue Sandra noch ein weiteres neues Gesicht, eine „verlorene Tochter“, mit in die „Lindenstraße“ brachte und Schauspieler wie Marie Luise Marjan (Helga Beimer) oder Joachim H. Luger sowieso fast ausschließlich als „Lindenstraßler“ auf dem Bildschirm zu sehen sind. Höher kann ein Identifikationspotenzial kaum sein. Und etwaige Verwirrung.

Vielleicht hilft ja – eine App. Eine neue „Lindenstraße“-App, teilt die Kölner Produktion mit, bringe die komplette Welt der „Lindenstraße“ auf das Smartphone und biete Extras. Die Nutzer könnten sich virtuell zu Mutter Beimer aufs Sofa setzen, ihre eigenen Autogrammkarten kreieren, sich von Tanja Schildknecht die Haare schneiden lassen – oder sich auf Umbesetzungen hinweisen lassen.

„Lindenstraße“, Sonntag,

ARD, 18 Uhr 50

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