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Hasskommentatoren verzichten im Netz häufig auf ihre Anonymität-

© imago/Christian Ohde

Update

Warum anonym, wenn's auch persönlich geht?: Der Klarname bringt für den Hasskommentator Vorteile

Applaus tut dem gut, der bei Hassposts im Internet seine Anonymität aufgibt. Glaubwürdiger ist er zudem

Ein Grund zur Freude ist das nicht, ein Grund zur Reflexion schon. Hasskommentare im Netz geschehen immer seltener im Schutz der Anonymität. Stattdessen veröffentlichen Verfasser hetzerischer Onlinebeiträge zunehmend ihren vollen Namen, wie eine Studie der Universität Zürich ergeben hat. Die Forscher untersuchten dafür mehr als 500 000 sozialpolitische Kommentare aus rund 1600 Onlinepetitionen des deutschen Portals „openpetition.de“ aus den Jahren 2010 bis 2013. Das Ergebnis: Eine Mehrheit der Verfasser von Hasskommentaren trat unter ihrem Klarnamen auf. Das Ergebnis der Studie überrascht, weil nach landläufiger Meinung dem Mut zum hässlichen Kommentar die Feigheit seiner anonymen Absonderung gehört.

Die Forscher der Universität Zürich nennen Gründe, warum viele Online-Hasser es schlicht nicht für nötig halten, anonym zu sein. Anstatt rein persönlicher Racheakte seien Hasskommentare oft Reaktionen auf Verletzungen einer sozialen Norm wie die Einhaltung von Umwelt- oder Plagiatsstandards oder Verstöße gegen sozial erwünschtes Verhalten wie Political Correctness. „Wieso sollten sich Verfasser von Hassposts, die ihren Protest als moralische Pflicht rechtfertigen und sich für eine gerechte Sache einsetzen, verstecken?“ Dem schlechten Hass wird guter Hass entgegengesetzt, so unsinnig das auch klingen mag.

Zudem wirke ein Kommentator unter seinem echten Namen authentischer, er zeige Risikobereitschaft, und er könne andere in sozialen Netzwerken leichter überzeugen und mobilisieren, so die Forscher. Ein weiterer Grund für Klarnamen: Nach wie vor müssten Online-Hasser kaum davon ausgehen, dass ihr aggressives Verhalten geahndet wird.

Die Abschaffung der Anonymität führt daher nicht automatisch zum Verschwinden von Hass-Stürmen, sondern möglicherweise gar zu deren Zunahme", sagte die Soziologie-Doktorandin Lea Stahel.

Verfasser von Hassposts sehen sich oft als Vertreter einer gerechten Sache

Wenn das so sein sollte, was ist dann ein wirksames Instrument gegen die Hassposts? Eine Maßnahme könnte sein, dass die Strafverfolgungsbehörden gegen „Hater“ vorgehen. Das Bundeskriminalamt koordinierte kürzlich erstmals bundesweite Razzien wegen strafbarer Hasskriminalität im Netz. Wohnungen von insgesamt 60 Beschuldigten wurden untersucht. „Sie werden sich nun vor Gericht verantworten müssen“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Bundesinnenminister Heiko Maas (SPD) sagte, „in Zukunft sollte sich jeder überlegen – bevor er sich an die Tastatur setzt –, was er da im Internet absondert“. Facebook warf Maas – nicht zum ersten Mal – vor, „noch immer zu wenig, zu langsam und zu oft auch das Falsche zu löschen“.

Mag so sein, wer aber kann jenseits der einschlägigen Tatbestände wie Volksverhetzung Hasskommentare definitiv bestimmen? Dem Netz ist kein Kompass eingebaut, was richtig, was falsch, was gut, was böse. Es ist auf eine merkwürdige Weise neutral. Welche Meinung muss unterdrückt werden, ohne dass gleich das wertvolle Gut der Meinungsfreiheit unterdrückt wird?

Natürlich, das Internet ist eine Meinungsschleuder und ein Meinungsverstärker sondergleichen. Es sorgt für Echo, für Aufmerksamkeit, für Anerkennung. Wer hasst, der kann in Foren, auf Plattformen dafür geliebt werden. Diese Gefühle von Triumph und Glück, wenn Applaus einsetzt? Das können die Reaktionen sein, wenn der Autor den Klarnamen schreibt und nicht seinen digitalen Alias.

Teile dieses Artikels sind bereits auf tagesspiegel.de erschienen. jagegeradeheraus hat dazu getwittert: „Linksintellektuelles Geplärre. Unter Hass versteht Ihr jedwede Ablehnung gg die verwahrloste politmediale Klasse.“ Ich verstehe das nicht als Hasskommentar, sondern als Missverständnis.

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