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Brulé

© promo

Style-Experte: "Raus aus der Kuschelecke“

Tyler Brûlé will die Leser von "Monocle“ mit vergessenen Themen konfrontieren. Im Interview mit Mercedes Bunz und Christian Meier spricht er über die Ikone Tempelhof, das neue Design der "FAZ und das Verhältnis von Internet- und Printmedien.

Mr. Brûlé,

Sie sind heute extra für ein Gespräch im Institut für Medien- und Kommunikationspolitik nach Berlin gekommen. Im November-Heft Ihrer Zeitschrift „Monocle“ ist zu sehen, welchen Flughafen in Berlin Sie am meisten mögen.

Ja (lacht).

Sie haben Tempelhof eine zwölfseitige Reportage gewidmet. Sind Sie heute dort auch gelandet?

„Monocle“ läuft so gut, da bin ich mit meinem Privatflugzeug in Tempelhof gelandet (lacht). Nein, ich bin in Tegel angekommen.

Was hätten Sie mit Tempelhof gemacht?

Als Flughafen erhalten. Absolut. Tempelhof ist eine Ikone, und ob wir ihn mögen oder nicht, er wird nicht einfach verschwinden. Berlin braucht außerdem zwei Flughäfen.

Eine andere Design-Ikone ist die „FAZ“, die seit kurzem mit Farbfotos auf der ersten Seite erscheint. Sie konnten den Relaunch vorab sehen – wie finden Sie ihn?

Ach, viel wichtiger als die Frage, ob ein Redesign gut oder schlecht ist, finde ich die Tatsache, dass diese Zeitung ihrer Auslandsberichterstattung so viel Platz einräumt. Vergleicht man die „FAZ“ beispielsweise mit Zeitungen in England und sieht, wie viele feste Korrespondenten zur Redaktion zählen, dann muss man einfach Anerkennung zollen. Über das Foto auf dem Titel wird man wahrscheinlich bald sagen: Was sollte die ganze Aufregung?

Der „FAZ“-Relaunch war Titelgeschichte in „Monocle“. Warum?

Ich bin das ganze vergangene Jahr gefragt worden, warum ich ein Magazin gestartet habe und nicht nur eine Webseite. Wir wollten auch aus symbolischen Gründen eine runde Geschichte über Printmedien machen.

Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Printmedien und dem Internet?

Das Internet war in vielerlei Hinsicht ein Weckruf für die Printmedien. Ein notwendiger Weckruf. Und: Wir können das Internet nicht für alle Probleme verantwortlich machen, die Printmedien haben. Der Schaden wurde vor langer Zeit angerichtet.

Das Internet muss als Entschuldigung für Fehler der Verleger herhalten?

Absolut. All dieses Blabla, dass Printmedien verschwinden werden, zeugt von Faulheit und Kurzsichtigkeit. Viele Fehlentwicklungen hat es gegeben, weil die falschen Leute an der Spitze von Medienunternehmen sitzen. Vor etwa 15 Jahren haben nämlich Geschäftsleute die Redaktionen übernommen. Ich sage: Wenn man ein guter Journalist ist, kann man auch ein guter Geschäftsmann sein, denn gute journalistische Arbeit macht das Medium attraktiv für Werbekunden.

Ist „Monocle“ ein Nachrichtenmagazin?

Wir vermeiden die offensichtlichen Geschichten. In unserer ersten Ausgabe haben wir eine Titelgeschichte über die japanische Marine gebracht. Das Thema haben dann andere aufgegriffen.

Sie kümmern sich um die unsichtbaren Themen?

Um die vergessenen Themen. In der Regel machen doch alle Medien immer dieselben zehn Stories. Ich habe mich lange von Lesern fragen zu lassen: Das sollen Nachrichten sein? Warum macht ihr nicht die Geschichte, die im „Economist“ stand? Dann sage ich: Eben, weil sie der „Economist“ gemacht hat. Wir holen die Leser aus ihrer Kuschelecke. Jemand sagte mir: Ihr habt eine sehr eklektische Weltsicht. Ich begreife das als Kompliment.

Verstehen denn genügend Menschen ihr Konzept? Wie erfolgreich ist „Monocle“?

Die erste Ausgabe war, gemessen am Anzeigenumsatz, sehr erfolgreich. Der knickte dann etwas ein. Und stieg darauf wieder. Unsere zehnte Ausgabe wird fast eine Million Dollar Anzeigenumsatz machen. Das ist bisher spitze. Die Zahl der Abonnenten: Das sind bisher 5000 Menschen, die 150 Dollar oder 100 Euro im Jahr für zehn Ausgaben zahlen. Am Kiosk verkaufen wir rund 50 000 Exemplare. Das ist nicht schlecht, auch wenn es etwas mehr sein könnten.

„Wallpaper“ haben Sie nach einigen Jahren Jahren an Time Warner verkauft. Wie lange werden Sie bei „Monocle“ bleiben?

Ich bin jetzt 39. Ich weiß nicht, ob „Monocle“ mein letztes großes Projekt ist. Ich komme gerade aus Japan, wo ich eine neue Generation von Unternehmern sehr inspirierend finde. Die wollen etwas aufbauen, statt es schnell wieder zu verkaufen. Das hat etwas mit Integrität zu tun. Ich finde, das ist der richtige Weg.

Das Interview führten Mercedes Bunz und Christian Meier
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Tyler Brûlé, 39, wurde in Kanada geboren. Er war Kriegsreporter, wurde in Afghanistan angeschossen, gründete das Lifestyle-Magazin „Wallpaper“, das er 1997 an den Medienkonzern Time Warner verkaufte, aber zunächst weiter als Chefredakteur führte. Er arbeitet zudem als Designberater, unter anderem für die Fluggesellschaft „Swiss“, und als Kolumnist bei der „Financial Times“. Seit Februar 2007 erscheint Brûlés neues Projekt „Monocle“. Das Magazin versteht sich als Leitfaden für Politik, Wirtschaft, Kultur und Design. sop

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